Verfahrensgang

LG Köln

 

Gründe

I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch Urteil der 3. Großen Strafkammer des Landgericht Köln vom 13. Mai 1986 wegen - fortgesetzten unerlaubten - Handels mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten verurteilt worden. Die noch nicht durch die in Sambia (28.12.84 - 09.01.85) und in der Bundesrepublik Deutschland (10.01.85 - 23.04.86) erlittene Untersuchungshaft verbüßte Reststrafe wurde dabei für die Dauer von 3 Jahren bis zum 04.02.1990 zur Bewährung ausgesetzt. Nach den Sachverhaltsfeststellungen des Urteils hatte der Verurteilte in der Zeit von Juni 1983 bis Dezember 1984 mit einem Reingewinn von ca. 1 Million DM von der Schweiz und Liechtenstein aus ohne die erforderliche Erlaubnis insgesamt ca. 6,9 Millionen Methaqualon-Tabletten an verschiedene Abnehmer in Sambia und benachbarten Ländern exportiert, wobei er die Präparate in einem Schweizer Pharmabetrieb herstellen ließ.

Durch Beschluß vom 16. März 1990 verlängerte die Strafkammer die Bewährungszeit um ein Jahr und damit bis zum 04.02.1991, da der Verurteilte der Auflage, eine Geldbuße von 200.000,00 DM zu zahlen und der Weisung, jeden Wohnungswechsel dem Gericht mitzuteilen, nicht bzw. nur unzulänglich nachgekommen war. Der Antrag der Staatsanwaltschaft, mit Rücksicht auf erneute, einschlägige, in dem Ermittlungsverfahren 185 Js 251/87 StA Köln verfolgte Straffälligkeit die Bewährung zu widerrufen, wurde dagegen abgelehnt, weil - nach Auffassung der Kammer zur Überführung des Verurteilten weitere Ermittlungen erforderlich waren. Allerdings erließ die Strafkammer am selben Tag einen Sicherungshaftbefehl nach § 453c StPO mit der Begründung, der Widerruf der Strafaussetzung komme jedenfalls wegen Verletzung der Bewährungsauflagen in Betracht.

2. Unter dem Verdacht, sich ab Mitte 1986 bis zum 07.02.1989 unerlaubt mit der Herstellung von Betäubungsmitteln befaßt und gemeinsam mit anderen mindestens 64,15 kg Methaqualon in M. zum Absatz auf dem illegalen Drogenmarkt hergestellt zu haben, befindet sich der Verurteilte aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Köln vom 03.10.1989 seit dem 25.10.1989 in Untersuchungshaft, nachdem wegen derselben Tat zuvor bereits in der Zeit vom 08.02.1989 bis 11.09.1989 gegen ihn in Belgien Untersuchungshaft vollzogen worden war. Am 08.05.1990 (HEs 96-97/90) und 07.09.1990 (HEs 194-195/90) hat der Senat in Verfahren gemäß §§ 121 f. StPO Haftfortdauer angeordnet.

Unter dem 02.08.1990 hat die Staatsanwaltschaft unter Beschränkung gemäß § 154a StPO Anklage wegen fortgesetzten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur 8. großen Strafkammer des Landgerichts Köln erhoben.

3. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat die Strafkammer mit Beschluß vom 22. August 1990 die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen und zur Begründung unter Hinweis auf die Anklage vom 2. August 1990 im wesentlichen ausgeführt, der Verurteilte haben bezüglich seiner Beteiligung an der Methaqualon-Produktion in Belgien ein Teilgeständnis abgelegt, das keinen Bedenken begegne; vielmehr spreche das weitere Ermittlungsergebnis für eine weitergehende Tatverstrickung.

Gegen diese, am 24. August 1990 zugestellte Entscheidung richtet sich die mit Schriftsatz des Verteidigers vom 28. August 1990 (Eingang: 31.08.90) eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilten, der geltend macht, angesichts der Komplexität der inzwischen angeklagten neuen Vorwürfe sei es geboten, eine Entscheidung über die Frage des Widerrufs der Bewährung bis zum Abschluß der bevorstehenden Hauptverhandlung in der neuen Sache zurückzustellen; es sei weder eine Beteiligung an der Herstellung von Methaqualon noch eine Mitwirkung an der Produktion eines für den Export nach Südafrika bestimmten Betäubungsmittels eingeräumt worden.

II. Das gemäß § 453 Abs. 2 Satz 3 StPO statthafte Rechtsmittel begegnet in formeller Hinsicht keinen Bedenken. Es hat darüber hinaus auch in der Sache Erfolg.

Der angefochtene Beschluß ist aufzuheben, da die Erwägungen der Strafkammer zur strafrechtlichen Bewährung des Verurteilten durchgreifenden rechtlichen Bedenken im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende und in Art. 6 Abs. 2 MRK normierte Unschuldsvermutung begegnen.

Die Strafkammer hat sich aufgrund der Ermittlungen in dem Verfahren 185 Js 251/87 StA Köln davon überzeugt, daß der Verurteilte erneut eine Straftat begangen hat, indem er jedenfalls ab Januar 1989 dadurch an der Herstellung des für den Export nach Südafrika bestimmten Methaqualon mitwirkte, daß er eine Herstellungsanleitung erarbeitete und eine Probe des Endprodukts kontrollierte. Der auf diese Feststellungen vor rechtkräftiger Aburteilung des Tatvorwurfs gestützte Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung verstößt unter den hier gegebenen Umständen gegen den Anspruch des Verurteilten auf Wahrung der Unschuldsvermutung bis zu einem in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch. Nach dem gegenwärtigen Sachstand kann das neue Strafverfahren gegen ihn ...

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