Verfahrensgang
AG Schleiden (Entscheidung vom 22.07.2022) |
Tenor
Die Sache wird durch die Rechtsunterzeichnerin gemäß § 80a Abs. 3 OWiG dem Senat in seiner Besetzung mit drei Richtern übertragen.
Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Schleiden vom 22. Juli 2022 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Schleiden zurückverwiesen.
Gründe
Die Aufhebung entspricht dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, der mit Vorlageverfügung vom 21.11.2022 wie folgt begründet worden ist:
"I.
Nachdem der Landrat des Kreises Euskirchen mit Bescheid vom 05.10.2021 (Bl. 49 d. A.) gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße in Höhe von 120,-Euro und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt hatte, sprach das Amtsgericht Schleiden den Betroffenen auf seinen Einspruch (Bl. 58 d. A.) hin mit Urteil vom 22.07.2022 frei (Bl. 95 ff. d. A.).
Mit Schreiben vom 22.08.2022, eingegangen beim Amtsgericht am selben Tag (Bl. 113 f. d. A.), hat die bei der Urteilsverkündung nicht anwesende Staatsanwaltschaft, der das Urteil am 16.08.2022 zugestellt wurde (Bl. 105 d. A.), die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt und diese mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet.
II.
Das gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG als Rechtsbeschwerde statthafte und zulässige Rechtsmittel hat Erfolg.
Die Urteilsgründe tragen den Freispruch nicht. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts liegt kein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens vor. Auch Messungen mit Geräten, bei denen Messdaten nicht gespeichert werden, sind verwertbar. Das verwendete Messgerät ESO ES 8.0 ist ein von der Physikalisch Technischen Bundesanstalt zugelassenes Lichtschrankenmessgerät und als standardisiertes Messverfahren anerkannt. Die Bauartzulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt indiziert bei Einhaltung der Vorgaben der Bedienungsanleitung und Vorliegen eines geeichten Gerätes die Richtigkeit des gemessenen Geschwindigkeitswertes. Ob dabei sogenannte Rohmessdaten gespeichert werden oder nicht, ist irrelevant. Dieser Auffassung des OLG Oldenburg (Beschluss vom 09.09.2019, 2 Ss (OWi) 233/19, juris) haben sich nahzu alle Obergerichte einschließlich des Senats angeschlossen (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 09.12.2019, 202 ObOWi 1955/19, juris; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 11.02.2020, 1 OWi 2 SsBs 122/19, juris und Beschluss vom 01.12.2021, 1 OWi 2 SsBs 100/21; OLG Hamm, Beschluss vom 25.11.2019, 3 RBs 307/19, juris; Hanseatisches OLG in Bremen, Beschluss vom 06.04.2020, 1 SsRs 10/20, juris; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 23.09.2020, 1 OLG 171 SsRs 195/19; Senat, Beschluss vom 27.09.2019, III-1 RBs 339/19)."
Dem stimmt der Senat zu und schließt sich im Übrigen den Gründen der Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 01.12.2021, Az. 1 OWi 2 SsBs 100/21, zitiert nach juris, Rn. 14 ff., an. Soweit der vorbezeichneten Entscheidung eine Geschwindigkeitsmessung mit dem Messgerät Poliscan FM1, Softwareversion 4.4.9. zugrunde liegt, sind die dortigen Erwägungen, insbesondere Rn. 17 ff., auf die vorliegend verfahrensgegenständliche Messung mit der mobilen Geschwindigkeitsmessanlage des Typs ESO ES 8.0. übertragbar. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts war das vorliegend zum Tatzeitpunkt am 27.05.2021 verwendete Messgerät mit der Softwareversion 1.1.0.2. ausgestattet, deren "Rohmessdaten" seit der 3. Revision (28.02.2020) der von der Konformitätsbewertungsstelle der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) ausgestellten Baumusterprüfbescheinigung nicht mehr gespeichert werden. Indes kommt dem Umstand, dass das vorbezeichnete Messgerät - anders als bei früheren Softwareversionen - keine sog. "Rohmessdaten" mehr speichert, aus den Gründen der Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken, a.a.O., keine rechtliche Relevanz zu. Da die in Rede stehenden Messdaten der verfahrensgegenständlichen Messung zu keinem Zeitpunkt gespeichert und demgemäß auch weder der Bußgeldbehörde noch dem Gericht zur Verfügung standen, beanspruchen die Gründe der Senatsentscheidung vom 27.09.2019 (Az. III-1 RBs 339/19, DAR 2019, 695), an denen der Senat festhält, auch in dieser Konstellation Geltung. Davon ausgehend ist auch die Annahme des Tatgerichts, Daten seien "mutwillig unterdrückt" worden, nicht gerechtfertigt.
Fundstellen
Haufe-Index 15524031 |
VRS 2023, 47 |