Entscheidungsstichwort (Thema)

Entzug der elterlichen Sorge

 

Leitsatz (amtlich)

Ergibt sich aufgrund der festgestellten Persönlichkeitsentwicklung der Kinder, dass zur Gefahrenabwehr der (teilweise) Entzug der elterlichen Sorge und die Herausnahme der Kinder aus der Familie erforderlich ist, haben die Gesichtspunkte des Schutzes der Familie und der Beachtung des Kindeswillens in seiner individuellen Ausprägung dahinter zurückzutreten. Insoweit hat eine Güterabwägung dahin stattzufinden, dass die drohenden Gefahren bei Missachtung des Kindeswillens das Kindeswohl weniger beeinträchtigen als die Gefahren, denen die Kindern bei einem Belassen bei den Eltern objektiv ausgesetzt sind. Der Kindeswille und die Elternrechte haben demgegenüber zurückzutreten. Unter den geeigneten Maßnahmen ist die am wenigsten einschneidende zu wählen.

 

Normenkette

BGB §§ 1666, 1666a

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Beschluss vom 21.12.2010; Aktenzeichen 401 F 197/10)

 

Tenor

Die Beschwerde der Kindeseltern gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bonn vom 21.12.2010 wird betreffend der Kinder O., geboren am 1.00.2000 und T., geboren am 9.00.2001 insgesamt zurückgewiesen.

Auf die Beschwerde der Kindeseltern wird der vorgenannte Beschluss des AG - Familiengericht - Bonn vom 21.12.2010 - 401 F 197/10 - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen bezüglich des Kindes Z., geboren am 26.00.2004 teilweise dahin abgeändert, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht für Z. bei den Kindeseltern verbleibt und die elterliche Sorge lediglich für die Teilbereiche Gesundheitsfürsorge und Beratung von Hilfen zur Erziehung entzogen wird. Für die entzogenen Teilbereiche der elterlichen Sorge verbleibt es bei der Einsetzung des Jugendamtes der Stadt C. als Ergänzungspfleger gemäß dem angefochtenen Beschluss des AG - Familiengericht - Bonn vom 21.12.2010 - 401 F 197/10 -.

Außergerichtliche Kosten werden für beide Instanzen nicht erstattet. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

 

Gründe

Die gem. §§ 58, 59, 61, 63, 64, 111 Nr. 2, 151 Nr. 1 FamFG zulässige - insbesondere frist- und formgerecht eingelegte - Beschwerde der Kindeseltern gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bonn vom 21.12.2010 - 401 F 197/10 -, mit welchem den Kindeseltern die elterliche Sorge für ihre Kinder O., T. und Z. für die Teilbereiche Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitsfürsorge und Beantragung von Hilfen zur Erziehung entzogen und insoweit Ergänzungspflegschaft angeordnet und als Ergänzungspfleger das Jugendamt der Stadt C. eingesetzt worden ist, hat nur zu einem geringen Teil Erfolg, nämlich soweit das Aufenthaltsbestimmungsrecht für Z. bei den Kindeseltern verbleiben konnte. Im Übrigen war die Beschwerde der Kindeseltern zurückzuweisen, da das Familiengericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass für die 3 betroffenen Kinder eine Kindeswohlgefährdung zu besorgen ist, welche die getroffenen Maßnahmen gem. §§ 1666, 1666a BGB erforderlich macht.

Nach Durchführung der vom Senat angeordneten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senates aufgrund der Feststellungen der Sachverständigen Frau Diplom Psychologin D. in ihrem vom Gericht eingeholten Gutachten vom 31.1.2012 (Blatt 186 bis 247 GA) fest, dass die Kindeseltern derzeit nicht in der Lage sind, ihre drei Kinder ausreichend zu versorgen und zu betreuen, so dass ein Belassen aller drei Kinder im Haushalt der Kindeseltern die bereits bestehende Kindeswohlgefährdung nicht nur fortdauern lassen, sondern vielmehr die Gefahr einer seelisch-geistigen Fehlentwicklung für die betroffenen Kinder noch erhöhen würde.

Der Senat verkennt nicht, dass dieser einschneidende Eingriff in das Elternrecht nur deswegen angeordnet werden durfte, weil das körperliche, geistige und seelische Wohl der Kinder andernfalls gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt bzw. nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, wobei nur solche Maßnahmen zu treffen waren, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich und Ziel führend sind.

Voraussetzung für ein Eingreifen des Familiengerichts ist eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (BGH FamRZ 2012, 99 - 103 m.w.N.). Als gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls kommen dabei die Erziehungseignung der Eltern, die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie der Beachtung des Kindeswillens in Betracht. Die sich daraus ergebenden Anforderungen für eine Gefährdung des Kindeswohls müssen demgegenüber angemessen berücksichtigt werden. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeits- und Erforderlichkeitsprüfung ist in Bezug auf die Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, konkret festzustellen, dass der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Dabei ist zu prüfen, ob mildere Mittel zur Verfügung stehen, um der Gefährdung entgegen zu wirken...

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