Entscheidungsstichwort (Thema)
Sorgerechtsregelung bei beabsichtigter Umsiedlung des antragstellenden Elternteils ins Ausland
Leitsatz (redaktionell)
1. Beabsichtigt der das Sorgerecht beantragende Elternteil ins Ausland umzusiedeln, so steht dem Elternrecht des anderen Elternteils auf möglichst freien Umgang mit seinem Kind aus Art. 6 GG das Recht des antragstellenden Elternteils auf örtlich freizügige Lebensgestaltung und Freizügigkeit aus Art. 2 GG entgegen, das anderenfalls in unangemessener Weise tangiert würde, wenn man wegen eines solchen Umzugs aus grundsätzlichen Erwägungen generell eine Sorgerechtsübertragung auf ihn verbieten würde. Das verfassungsrechtliche Prinzip der praktischen Konkordanz gebietet es, die Grundrechte beider Elternteile zu optimaler Wirksamkeit gelangen zu lassen und so einander zuzuordnen, dass jedes von ihnen weitestgehend Wirksamkeit erlangt. Das in Art. 6 Abs. 2 GG verbriefte Elternrecht des anderen Elternteils hat, wenn nicht Kindeswohlinteressen dagegenstehen, hinter das persönliche Freiheitsrecht des das Sorgerecht begehrenden Elternteils nach Art. 2 Abs. 1 GG zurückzutreten. Bei der vorzunehmenden Abwägung der Elterninteressen ist mit zu berücksichtigen, ob und in welchem Umfang Umgangskontakte zwischen dem anderen Elternteil und seinem Kind auch nach dessen Übersiedlung ins Ausland möglich sind (so OLG Zweibrücken NJW-RR 2004, 1588 (1590), m.w.N.).
2. Es müssen beachtenswerte Gründe vorgetragen werden, die es rechtfertigen, dass der antragstellende Elternteil ins Ausland verzieht, wie zum Beispiel der Umzug eines Ausländers in seine Heimat. Bestehen dort seine sozialen Bindungen, in die das Kind mit einbezogen ist, ist dies bei der Kindeswohlentscheidung mit einzubeziehen.
3. Keinesfalls darf der Sorgeberechtigte bloß deshalb ins Ausland gehen, um das Umgangsrecht des anderen Elternteils zu verteiteln (so OLG Zweibrücken NJW-RR 2004, 1588 (1590), mit Hinweis auf Schwab/Motzer, HdB. des ScheidungsR, 4. Aufl., Kap. III Rz. 237).
Normenkette
BGB § 1671 Abs. 1, 2 Nr. 2; GG Art. 6, 2
Verfahrensgang
AG Brühl (Beschluss vom 22.09.2004; Aktenzeichen 32 F 26/03) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin (Kindesmutter) wird der Beschluss des AG - FamG - Brühl vom 22.9.2004 - 32 F 26/03 - abgeändert.
Der Antragsgegnerin wird das alleinige Personensorgerecht über das gemeinsame Kind der Beteiligten zu 1) und 2), E L, geb. am 3.3.1997, übertragen.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den vorgenannten Beschluss des FamG Brühl wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller. Im Übrigen verbleibt es für die erste Instanz bei der Kostenentscheidung des FamG in dem angegriffenen Beschluss.
II. Der Antragsgegnerin wird zur Durchführung des eigenen Beschwerdeverfahrens wie auch zur Abwehr der Beschwerde des Antragstellers ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin M. bewilligt.
Gründe
I. Die gem. §§ 621 Abs. 1 Nr. 1, 621e ZPO zulässige - insb. frist- und formgerecht eingelegte - befristete Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache Erfolg. Dagegen musste die zulässige befristete Beschwerde des Antragstellers erfolglos bleiben. Gemäß § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 war das Personensorgerecht auf die Kindesmutter zu übertragen.
Nach der Trennung der Kindeseltern entspricht dies dem Wohl des gemeinsamen Kindes E am Besten. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Kindesmutter gemeinsam mit ihrem und des Antragstellers Sohn E wieder in ihrer Heimat in der Slowakei aufhält und dort verbleiben will.
Insbesondere verletzt die getroffene Entscheidung den Antragsteller in seinen Grundrechten aus Art. 6 GG nicht in unzumutbarer Weise.
Art. 6 Abs. 2 GG schützt die Eltern-Kind-Beziehung und sichert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Dieses Freiheitsrecht dient in erster Linie dem Kindeswohl, das zugleich oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung ist. Allerdings bedarf das Elternrecht, das den Eltern gemeinsam zusteht, insb. auch für den Fall, dass die Eltern sich bei der Ausübung ihres Rechts nicht einigen können, der gesetzlichen Ausgestaltung. Dem dient § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB, der bestimmt, dass einem Elternteil auf Antrag die elterliche Sorge allein zu übertragen ist, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den einen Elternteil dem Wohl des Kindes am Besten entspricht (so BVerfG v. 20.8.2003 - 1 BvR 1532/03, FamRZ 2003, 1731, m.w.N.).
Ein Regelungsbedürfnis ergibt sich ohne Weiteres aus dem Streit der Kindeseltern, ob das Kind in Deutschland beim Vater zu verbleiben hat oder ob es der Kindesmutter erlaubt ist, zusammen mit ihrem Sohn E in ihrer Heimat in der Slowakei zu leben. Diesbezüglich fehlt es den Kindeseltern an einem Mindestmaß an Übereinstimmung bzw. Kooperationsbereitschaft, das es gestatten würde, den Eltern ein gemeinsames Elternsorgerecht einzuräumen. Allein hieraus folgt schon, dass es nicht bei der familiengerichtlichen Entscheidung, den Ki...