Leitsatz
Getrennt lebende Eltern stritten sich über das Aufenthaltsbestimmungsrecht bzw. die elterliche Sorge insgesamt für ihren gemeinsamen minderjährigen Sohn. Die Ehefrau beabsichtigte, gemeinsam mit ihm in ihre Heimat - die Slowakei - umzusiedeln. Beide Eltern hatten widerstreitende Sorgerechtsanträge gestellt. Erstinstanzlich verblieb es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge. Gegen diesen Beschluss legten sowohl sie als auch der Kindesvater Beschwerde ein. Das Rechtsmittel des Vaters blieb ohne Erfolg, der Beschwerde der Kindesmutter wurde stattgegeben.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG kam zu dem Ergebnis, der Kindesmutter sei gem. § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 das Personensorgerecht für den gemeinsamen Sohn der Parteien zu übertragen. Diese Regelung entspreche dem Wohl des gemeinsamen Kindes am besten. Dem stehe nicht entgegen, dass sich die Mutter gemeinsam mit ihm wieder in ihrer Heimat Slowakei aufhalte und dort bleiben wolle. Insbesondere verletze die getroffene Entscheidung den Vater nicht in unzumutbarer Weise in seinen Grundrechten aus Art. 6 GG.
Art. 6 Abs. 2 GG schütze die Eltern-Kind-Beziehung und sichere den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Dieses Freiheitsrechte diene in erster Linie dem Kindeswohl, das zugleich oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung sei. Allerdings bedürfe das Elternrecht, das den Eltern gemeinsam zusteht, insbesondere für den Fall, dass sich die Eltern bei der Ausübung ihres Rechts nicht einigen können, der gesetzlichen Ausgestaltung. Dem diene § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB, wonach einem Elternteil auf Antrag die elterliche Sorge alleine zu übertragen ist, wenn zu erwarten sei, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf einen Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Ein Regelungsbedürfnis ergebe sich im vorliegenden Fall ohne Weiteres aus dem Streit der Kindeseltern, ob das Kind in Deutschland beim Vater zu verbleiben habe oder es der Kindesmutter erlaubt sei, zusammen mit dem Sohn in ihrer Heimat in der Slowakei zu leben. Diesbezüglich fehle es den Eltern bereits an einem Mindestmaß an Übereinstimmung bzw. Kooperationsbereitschaft. Allein hieraus folge, dass es nicht bei der erstinstanzlichen Entscheidung, den Kindeseltern das gemeinsame Sorgerecht zu belassen, verbleiben könne.
Die gegebene Sachlage gebiete es, das elterliche Personensorgerecht einem der beiden Kindeseltern alleine zu übertragen. Insoweit erscheine es auch wenig praktikabel, der Kindesmutter lediglich das Aufenthaltsbestimmungsrecht einzuräumen und es im Übrigen bei der gemeinsamen elterlichen Sorge zu belassen.
Das OLG weist in seiner Entscheidung auf den nach wie vor bestehenden Meinungsstreit zu diesem Problemkreis hin. Es sei nach wie vor umstritten, inwieweit es dem sorgeberechtigten Elternteil oder demjenigen, dem die Personensorge übertragen werden soll, gestattet ist, zusammen mit dem gemeinsamen Kind in sein Heimatland umzuziehen mit der Folge der dadurch bedingten tatsächlichen Beeinträchtigung des Umgangsrechts des anderen Elternteils. Das OLG folgt im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG (BVerfG v. 20.8.2003 - 1 BvR 1532/03, FamRZ 2003, 1731 m.w.N.) einer vermittelnden Auffassung, wonach der Sorgeberechtigte Freizügigkeit genieße, die aber im Hinblick auf das Kindeswohl pflichtgebunden sei. Die entscheidende Frage sei, ob die Umsiedlung ins Ausland wichtige Kindesinteressen gefährde, wobei der Kontinuität der Hauptbezugsperson die Diskontinuität der übrigen Lebensumstände gegenüber stehe. Der Sorgerechtsinhaber müsse triftige Gründe für den beabsichtigten Umzug haben, die schwerer wiegen als das Umgangsinteresse von Kind und dem anderen Elternteil. Bei ausländischen Kindern oder solchen aus gemischt-nationalen Beziehungen könne eine Rückkehr des Personensorgeberechtigten in den heimischen Kulturkreis zusammen mit dem Kind eher dessen Wohl entsprechen, auch wenn dadurch der Kontakt zum anderen Elternteil sich lockere oder verloren zu gehen drohe. Keinesfalls dürfe der Sorgeberechtigte bloß deshalb ins Ausland gehen, um das Umgangsrecht des anderen Elternteils zu vereiteln.
Die Einschränkung des Elternrechts des Kindesvaters erscheine im vorliegenden Fall gerechtfertigt. Sein in Art. 6 Abs. 2 GG verbrieftes Elternrecht habe danach hinter dem persönlichen Freiheitsrecht der Kindesmutter nach Art. 2 Abs. 1 GG zurückzutreten. Bei der Abwägung der Elterninteressen sei zu berücksichtigen, dass Umgangskontakte zwischen Vater und Sohn auch nach dessen Übersiedlung in die Slowakei keineswegs ausgeschlossen seien. Im Übrigen entspreche es auch dem Willen des inzwischen 9-jährigen Sohnes, bei der Mutter in der Slowakei zu leben. Im Hinblick auf das Alter des Sohnes komme dem von ihm geäußerten Willen bereits erhebliches Gewicht zu.
Link zur Entscheidung
OLG Köln, Beschluss vom 18.01.2006, 4 UF 209/04