Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsitzender der K.f. H. kein Einzelrichter
Leitsatz (amtlich)
1. Die vom Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen allein getroffenen Entscheidungen nach § 349 ZPO sind nicht als Entscheidungen des Einzelrichters i.S.d. § 568 Abs. 1 ZPO anzusehen.
2. Nach der Reform des Zivilprozessrechts ist ein außerordentliches Rechtsmittel wegen „greifbarer Gesetzeswidrigkeit” nicht mehr statthaft; das gilt insb. wenn sich die Beschwerde gegen eine Entscheidung über eine Gegenvorstellung richtet.
3. Auch bei einem nicht in gesetzlicher Weise ergangenen Versäumnisurteil ist eine Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung nur unter den Voraussetzungen des § 707 Abs. 1 S. 2 ZPO zulässig.
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 24.11.2003; Aktenzeichen 89 O 104/03) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.
Gründe
I. Die Beschwerdeführerin ist durch Versäumnisurteil vom 21.10.2003 zur Zahlung von 406.784,10 Euro verurteilt worden. Gegen das ihrem deutschen Prozessbevollmächtigten am 24.10.2003 zugestellte Urteil hat sie mit einem am 25.10.2003 eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt und zugleich beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil ohne – hilfsweise gegen – Sicherheitsleistung einzustellen. Mit Beschluss des Vorsitzenden der 9. Kammer für Handelssachen des LG Köln vom 28.10.2003 ist die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 450.000 Euro vorläufig eingestellt worden. Den weiter gehenden Antrag hat die Kammer mit der Begründung zurückgewiesen, das Versäumnisurteil sei in gesetzlicher Weise ergangen, deshalb scheide eine Einstellung ohne Sicherheitsleistung gem. § 719 Abs. 1 S. 2 ZPO aus.
Eine Gegenvorstellung der Beklagten vom 28.10.2003 hat das LG mit Beschluss vom 24.11.2003 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der sofortigen (außerordentlichen) Beschwerde. Sie begehrt die Einstellung der Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil ohne Sicherheitsleistung.
II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Zur Entscheidung berufen ist der Senat in der Besetzung mit drei Richtern. Die Vorschrift des § 568 Abs. 1 S. 1 ZPO greift nicht ein, wenn der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen allein entscheidet. § 568 Abs. 1 ZPO ist auf Fälle zugeschnitten, die vom Einzelrichter entschieden worden sind, weil sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen und auch keine grundsätzliche Bedeutung haben. Diese Vermutung greift für den Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen nicht ein, weil er die Kammer auch in Fällen mit besonderer Schwierigkeit oder grundsätzlicher Bedeutung allein repräsentiert (vgl. § 349 Abs. 2 ZPO). Seine Entscheidungen sind daher nicht als Entscheidungen des Einzelrichters i.S.d. § 568 Abs. 1 S. 1 ZPO aufzufassen (OLG Karlsruhe v. 23.4.2002 – 3A W 50/02, MDR 2002, 778; Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 568 Rz. 3 m.w.N. aus der Rspr.).
2. Es fehlt schon an der Zulässigkeit des Rechtsmittels.
Die Entscheidung über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 ZPO ist der Anfechtung entzogen (§ 719 Abs. 1 i.V.m. § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO).
Die Zulassung der sofortigen Beschwerde wegen „greifbarer Gesetzeswidrigkeit” hat nach der Neufassung des Zivilprozessrechts keine Grundlage mehr. Der Gesetzgeber hat ein solches Rechtsmittel in Kenntnis der Rspr. des Bundesgerichtshofes, der es bei „greifbar gesetzwidrigen” Entscheidungen, insb. bei der Verletzung von Verfahrensgrundrechten, in eng begrenzten Ausnahmefällen für zulässig gehalten hat (vgl. BGH v. 8.10.1992 – VII ZB 3/92, BGHZ 119, 372 = MDR 1993, 80 = NJW 1993,135; v. 4.3.1993 – V ZB 5/93, BGHZ 121, 397 = MDR 1993, 1249 = NJW 1993, 1865; BGH NJW 2000, 960), bei der grundlegenden Neugestaltung des Verfahrensrechts durch das Zivilprozessreformgesetz nicht in die ZPO eingeführt. Diesen Umstand hat der BGH zum Anlass genommen, seine Rspr. zur Zulässigkeit des Rechtsmittels der außerordentlichen Beschwerde aufzugeben (BGH v. 7.3.2002 – IX ZB 11/02, BGHReport 2002, 431 = MDR 2002, 901 = NJW 2002, 1577).
Die Unzulässigkeit eines solchen Rechtsmittels seit der Reform des Zivilverfahrensrechts muss erst Recht gelten, wenn sich die Beschwerde gegen eine Entscheidung über eine Gegenvorstellung richtet, die Einwendungen des Beschwerdeführers also bereits gerichtlich überprüft und beschieden sind.
3. Ob das von der Beschwerdeführerin herangezogene Urteil des OLG Stuttgart (NJW-RR 2003, 1713) Anlass geben kann, die Frage der Zulässigkeit anders zu beurteilen, kann dahinstehen. Denn die Beschwerde ist jedenfalls aus den zutreffenden Gründen des Beschlusses vom 28.10.2003 und der angefochtenen Entscheidung auch unbegründet. Das Versäumnisurteil ist in gesetzlicher Weise ergangen. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten ist davon auszugehen, dass die Klageschrift an dem im Rückschein des Einschreibens genannten Datum des 6.10.2003 im Geschäftslokal der Beklagten vorge...