Leitsatz (amtlich)
Ein privater Krankenversicherungsvertrag endet weder automatisch mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers noch mit dem Wegfall dessen Gewerbes, weil dem privaten Krankenversicherungsvertrag sowie den daraus folgenden Rechten und Pflichten die Massezugehörigkeit fehlt. Daher steht dem privaten Krankenversicherer gegen den insolventen Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Begleichung der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig gewordenen und rückständigen Versicherungsprämien zu.
Diesem erst nach Insolvenzeröffnung fällig gewordenen Prämienanspruch des privaten Krankenversicherers steht auch eine Restschuldbefreiung über das Vermögen des Versicherungsnehmers nicht entgegen, weil es sich bei dieser Forderung weder um eine Insolvenzforderung i.S.d. § 38 InsO noch um eine - von der Restschuldbefreiung im Übrigen auch nicht erfasste - Masseverbindlichkeit handelt.
Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 9 O 97/19) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 19.09.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Aachen - 9 O 97/19 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden dem Beklagten auferlegt.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Gegenstandswert für die Berufungsinstanz wird auf 3.033,37 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Berufung hat aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden, keinen Erfolg. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Gründe des Senatsbeschlusses vom 20.01.2020 Bezug genommen. An der dort geäußerten Auffassung hält der Senat uneingeschränkt fest.
Das ergänzende Vorbringen des Beklagten im Schriftsatz vom 10.02.2020 rechtfertigt keine abweichende rechtliche Beurteilung.
Entgegen der Ansicht des Beklagten steht auch der Restschuldbefreiungsbeschluss des Amtsgerichts Aachen vom 15.03.2018, Az. 91 IN 336/11, der im Rahmen des über sein Vermögen mit amtsgerichtlichen Beschluss vom 19.01.2012 eröffneten Insolvenzverfahrens ergangen ist, der streitgegenständlichen Forderung der Klägerin auf rückständige und zuerkannte Prämien im Zeitraum vom 01.01.2016 bis Januar 2019 einschließlich in Höhe von 3.033,37 EUR nicht entgegen.
Der Beklagte verkennt, dass die Insolvenzmasse nur für Forderungen der Insolvenzgläubiger und für Masseverbindlichkeiten haftet (OLG Hamm, Urt. v. 15.07.2015, - 20 U 234/14 -, RuS 136 ff. in juris Rn. 17), dem privaten Krankenversicherungsvertrag sowie den daraus folgenden Rechten und Pflichten aber die Massezugehörigkeit fehlt (BGH, Urt. v. 19.02.2014, - IV ZR 163/13 -, VersR 2014, 452 ff. in juris Rn. 22) und die Klägerin nicht Insolvenzgläubigerin i.S.d. § 87 InsO ist (OLG Hamm, Urt. v. 15.07.2015, - 20 U 234/14 -, RuS 136 ff. in juris Rn. 18).
Insolvenzgläubiger ist gemäß § 38 InsO, wer einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hat. Die hier streitgegenständlichen rückständigen Prämienansprüche der Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis Januar 2019 einschließlich sind erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch amtsgerichtlichen Beschluss vom 19.01.2012 fällig geworden und waren noch nicht in diesem Sinne begründet. Begründet ist ein Anspruch zwar nicht erst mit seiner Fälligkeit, sondern dann, wenn der Rechtsgrund der Entstehung der Forderung im Augenblick vor Verfahrenseröffnung bereits gelegt war. Dies setzt aber voraus, dass der anspruchsbegründende Tatbestand vor der Verfahrenseröffnung materiell-rechtlich abgeschlossen war (OLG Hamm, Urt. v. 15.07.2015, - 20 U 234/14 -, RuS 2016 136 ff. in juris Rn. 18 m.w.N.; MK/Ehricke, InsO, 3. Aufl. 2013, § 38 Rn. 16). Bei wiederkehrenden Ansprüchen aus Dauerschuldverhältnissen ist dies etwa dann zu bejahen, wenn die Ansprüche aus einem einheitlichen Stammrecht folgen. Wenn aber der Grund der Forderung als Gegenleistung für künftige Leistungen des anderen Teils stets von neuem zur Entstehung gelangt, so sind nur die Ansprüche begründet, deren Gegenleistung vor Verfahrenseröffnung schon erbracht ist (OLG Hamm, Urt. v. 15.07.2015, - 20 U 234/14 -, RuS 2016 136 ff. in juris Rn. 18; MK/Ehricke, InsO, 3. Aufl. 2013, § 38 Rn. 19). Rückständige Versicherungsprämien sind deshalb nur dann Insolvenzforderungen, wenn sie als Entgelt für die Gefahrtragung vor Insolvenzeröffnung geschuldet waren (MK/Ehricke, InsO, 3. Aufl. 2013, § 38 Rn. 105). Dagegen handelt es sich bei den - auch hier erst - nach Insolvenzeröffnung fällig gewordenen Versicherungsprämien weder um Insolvenzforderungen noch um Masseverbindlichkeiten mangels Erfüllungsverlangens des Insolvenzverwalters zur Masse, sondern vielmehr um Neuverbindlichkeiten (OLG Hamm, Urt. v. 15.07.2015, - 20 U 234/14 -, RuS 2016 136 ff. in juris Rn. 18-20; OLG Frankfurt, Urt. v. 24.04.2013, - 7 U 142/12 -, VersR 2013, 990 ff. in juris Rn. 20/22-25). Dies hat zur Folge, dass die streitgegenständlichen Prämienansprüche der Klägerin für den Zeitraum...