Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwaltsgebühren für vorgerichtliche Tätigkeiten im Arzthaftungsprozess

 

Leitsatz (amtlich)

Die Festsetzung der Geschäftsgebühr für die vorgerichtlichen Tätigkeiten des Anwalts ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalles. Werden im Rahmen einer arzthaftungsrechtlichen Streitigkeit vorprozessual erhebliche Tätigkeiten entfaltet (Einholung von Privatgutachten, umfangreicher Schriftverkehr mit Haftpflichtversicherern u.Ä.), so rechtfertigt schon dies eine deutliche Anhebung der Geschäftsgebühr über das 1,3-fache hinaus.

 

Normenkette

RVG Vergütungsverzeichnis § 14; RVG Ziff. 2300

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 19.03.2014; Aktenzeichen 3 O 3125/14)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Köln vom 19.3.2014 - 3 O 315/14 - insoweit abgeändert, als der Antragstellerin Prozesshilfe bewilligt wird, soweit sie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 1570,20 EUR nebst gesetzlichen Rechtshängigkeitszinsen begehrt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet, soweit die Antragstellerin ein höheres Schmerzensgeld als 15.000 EUR begehrt. Der Senat teilt insoweit die Auffassung der Kammer und die im Rahmen der Nichtabhilfe dazu gegebene Begründung und nimmt darauf Bezug. Alle seitens der Klägerin, seitens der Kammer und auch seitens des Senates herangezogenen Entscheidungen sind mit dem vorliegenden Fall nicht in jeder Hinsicht vergleichbar. Für ein Schmerzensgeld ist die Schwere und vor allem die Dauer der Beeinträchtigungen und Leiden, die durch das schädigende Ereignis ausgelöst wurden, von maßgeblicher Bedeutung. Ein Schmerzensgeld, das den von der Kammer angenommenen Betrag von (mindestens) 15.000 EUR deutlich überstiege, erst recht aber eines, das in die von der Antragstellerin vorgestellte Größenordnung von 40.000 EUR reichen würde, wäre nach der ständigen Rechtsprechung des Senates nur zu rechtfertigen, wenn Dauerfolgen von erheblichem Umfang vorliegen würden. Relevante Dauerfolgen liegen bei der Antragstellerin aber glücklicherweise nicht vor. Es bleibt vor allem die sicherlich nicht zu unterschätzende Leidenszeit von etwa sieben Monaten, die durch schwerwiegende Operationen, einen verzögerten und schmerzhaften Heilungsverlauf und vor allem durch den zeitweiligen künstlichen Darmausgang mitsamt der ohne weiteres nachvollziehbaren psychischen Beeinträchtigungen geprägt war. Hierfür stellt ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von 15.000 EUR einen angemessenen, aber auch ausreichenden Ausgleich dar. Da die Kammer zu Recht diese Summe nicht als abschließende Größe sondern als Mindestbetrag genannt hat, ist eine Erhöhung infolge neuerer, aus einer Beweisaufnahme resultierenden, Erkenntnisse zudem möglich.

Eine Abänderung des Beschlusses war veranlasst hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten. Die Geschäftsgebühr der Ziff. 2300 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG ist eine Rahmengebühr nach § 14 RVG, die der Anwalt grundsätzlich nach billigem Ermessen festsetzen darf, wobei insbesondere Umfang und Schwierigkeit der Sache von Bedeutung sind. Dies findet in den Erläuterungen zu Nr. 2300 eine Entsprechung, wonach die Mittelgebühr des 1,3 -fachen nur gefordert werden darf, wenn die Sache umfangreich oder schwierig war. Der Einsatz von Spezialkenntnissen, um die es sich beim Arzthaftungsrecht wie allgemein beim Medizinrecht durchaus handelt, ist dabei etwas, das als Kriterium rechtlicher Schwierigkeit auch zugunsten des Spezialisten anzuerkennen ist (vgl. zahlreiche Nachweise etwa bei Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl., § 14 RVG Rz. 4; VV 2300 Rz. 23). Es kommt demnach nicht maßgeblich darauf an, ob für die mit der Sache befassten Anwälte speziell dieser auf Arzthaftungsrecht spezialisierten Kanzlei es sich um einen "Durchschnittsfall" handelt, oder ob er auch aus Sicht eines Spezialisten außergewöhnlich umfangreich oder schwierig ist.

Aus Sicht des Senates stellt allerdings der Umfang der entfalteten Tätigkeit das im Regelfall wesentlichere Kriterium dar (soweit diese sachlich begründet ist). Hier entzieht sich die Gebührengestaltung einer schematischen Betrachtung vollends, es kommt vielmehr auf die Würdigung der Umstände des Einzelfalles an. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Arzthaftungssache von (gemessen an einem durchschnittlichen bürgerlich-rechtlichen Streit) höherem Schwierigkeitsgrad und vor allem von erheblichem Umfang. Dafür maßgeblich ist weniger die Anzahl der bislang aufgelaufenen Seiten der Gerichtsakte als vielmehr die vorprozessual durch die Anwälte der Antragstellerin entfaltete Tätigkeit. Sie haben, was für die Anwälte dieser Kanzlei durchaus typisch ist, in einem eindeutig überdurchschnittlichen Umfang Tätigkeiten entfaltet, um einen Rechtsstreit zu vermeiden und die Sache einer einvernehmlichen Klärung zuzuführen, nämlich über einen langen Zeitraum umfangreiche Korrespondenz mit dem hinter den Antragsgegnern stehenden H...

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