Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsführung AZV II
Leitsatz (amtlich)
Unangemessenheit einer 2,5-fachen Gebühr und Festsetzung einer 2,0-fachen Gebühr nach VV Nr. 2300 RVG für ein Nachprüfungsverfahren, betreffend die Vergabe der kaufmännischen und technischen Betriebsführung der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung sowie der Besorgung laufender Verbandsgeschäfte eines Abwasserzweckverbandes für maximal zwanzig Jahre.
Verfahrensgang
2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 04.07.2008; Aktenzeichen 2 VK LVwA 23/07) |
Tenor
Auf die Erinnerung der Antragstellerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des OLG Naumburg vom 4.7.2008 teilweise abgeändert und, wie folgt, neu gefasst:
Die auf Grund des Beschlusses des Vergabesenats des OLG Naumburg vom 31.3.2008, dort Abs. 4 des Beschlusstenors, vom Antragsgegner und der Beigeladenen zu 1) an die Antragstellerin zu erstattenden Kosten werden festgesetzt auf 13.636,60 EUR.
Im Übrigen wird der Kostenfestsetzungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; eine Erstattung der außergerichtlichen Auslagen findet nicht statt.
Der Kostenwert des Erinnerungsverfahrens wird auf 6.655,20 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Erinnerung der Antragstellerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des OLG Naumburg ist nach § 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG zulässig. Sie hat in der Sache auch teilweise Erfolg.
Allerdings ist der Rechtspfleger, insoweit den Stellungnahmen des Antragsgegners und der Beigeladenen zu 1) im Kostenfestsetzungsverfahren folgend, zu Recht davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall der Ansatz einer 2,5-fachen Gebühr nach VV Nr. 2300 RVG durch die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin nicht verbindlich ist, weil sie unbillig i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG ist. An die Stelle der unverbindlichen Gebührenberechnung tritt daher eine gerichtliche Bestimmung des angemessenen Gebührenansatzes. Die Festsetzung einer 1,3-fachen Gebühr durch den Rechtspfleger wird jedoch den für die Bestimmung der Höhe der Rahmengebühren maßgeblichen Umständen des vorliegenden Mandats nicht gerecht, so dass sie vom Senat zu erhöhen war.
Die Geschäftsgebühr nach VV Nr. 2300 RVG ist eine Rahmengebühr zwischen 0,5 und 2,5 Gebühren, bei der ein Ansatz von mehr als 1,3 Gebühren nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Für die Bestimmung der hier angemessenen Rahmengebühr sind nach § 14 Abs. 1 RVG mehrere Kriterien heranzuziehen, insbesondere der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer, die Bedeutung der Angelegenheit für die Antragstellerin und ggf. auch deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie schließlich auch das Haftungsrisiko des Rechtsanwalts in dieser Angelegenheit.
Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit
Der Senat geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass in Vergabesachen regelmäßig eine überdurchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit anzuerkennen sein wird, weil das nationale Vergaberecht eine komplexe, vom Gemeinschaftsrecht überlagerte Rechtsmaterie ist, die zzt. einer sehr dynamischen Entwicklung unterliegt (vgl. nur OLG Naumburg vom 16.8.2005 - 1 Verg 4/05). Dies macht die Prüfung der tatsächlichen Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit im jeweiligen Einzelfall jedoch nicht etwa entbehrlich. Ein überdurchschnittlicher Gebührenansatz ist schon jeder Gebührenansatz über der gesetzlich vorgegebenen Kappungsgrenze in Höhe einer 1,3-fachen Gebühr, wie der Antragsgegner und die Beigeladene zu 1) zu Recht betonen.
Im vorliegenden Fall ist von einer überdurchschnittlichen Schwierigkeit auszugehen, es sind allerdings noch weit schwierigere Fallgestaltungen vorstellbar. Das Mandat der Antragstellerin an ihre Verfahrensbevollmächtigten bezog sich auf eine Nachprüfung der Angebotswertung eines komplexen Ausschreibungsverfahrens, betreffend die vollständige technische und kaufmännische Betriebsführung sowie die Geschäftsbesorgung der laufenden Verbandsgeschäfte eines Zweckverbandes zur Wasserversorgung und Abwasserentsorgung. Neben mehreren vergaberechtlichen Problemstellungen, insbesondere hinsichtlich der Pflichten der Vergabestelle bei der Verwahrung der Angebote und im Submissionstermin sowie im Zusammenhang mit der Bewertung der Konformität der eingereichten Angebote mit den Vorgaben der Verdingungsunterlagen, waren arbeitsrechtliche, mietrechtliche sowie auch strafrechtliche Aspekte der Verdingungsunterlagen zu beurteilen sowie allgemeine wirtschaftliche und spezielle betriebswirtschaftliche Fragestellungen zu durchdringen. Die vergaberechtlichen Fragen ließen sich jedoch unter ausschließlicher Betrachtung des nationalen Vergaberechts lösen; sie erreichten auch nicht den Schwierigkeitsgrad, wie er beispielsweise z.T. in Verhandlungsverfahren zu komplexen Baukonzessionen oder PPP-Projekten auftritt.
Umfang der anwaltlichen Tätigkeit
Auch der Umfang der an...