Leitsatz (amtlich)

1. Die gesetzliche Gebühr für die außergerichtliche Vertretung in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer bestimmt sich nach RVG VV Teil 2 Abschnitt 3, also nach den Nrn. 2300 ff.

2. Beruht der auf die Erstattung der gesetzlichen Gebühren gerichtete Kostenfestsetzungsantrag eines Beteiligten auf einer unzutreffenden Annahme anderer Gebührentatbestände, so ist dem Beteiligten vor einer Entscheidung nach entsprechendem Hinweis Gelegenheit zu geben, sein ihm nach § 14 RVG eingeräumtes Ermessen auszuüben.

3. Reisekosten eines nicht am Sitz der Vergabekammer und nicht am Geschäftssitz des Beteiligten ansässigen Verfahrensbevollmächtigten sind jedenfalls dann nur eingeschränkt erstattungsfähig, wenn am Ort des Unternehmenssitzes bzw. am Ort der zuständigen Vergabekammer eine hinreichende Anzahl spezialisierter Rechtsanwälte zur Verfügung steht.

 

Verfahrensgang

2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 29.10.2008; Aktenzeichen 2 VK LVwA 7/08)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beigeladenen wird der Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 29.10.2008, 2 VK LVwA 7/08, hinsichtlich der Kostenfestsetzung zugunsten der Beigeladenen aufgehoben und insoweit, wie folgt, neu gefasst:

1. Die der Beigeladenen von der Antragstellerin zu erstattenden Aufwendungen werden auf 1.620 EUR festgessetzt.

2. Im Übrigen wird der Kostenfestsetzungsantrag der Beigeladenen abgewiesen.

Die weiter gehende sofortige Beschwerde der Beigeladenen wird zurückgewiesen.

Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden niedergeschlagen; die Antragstellerin hat die außergerichtlichen Aufwendungen der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren zu tragen.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 576,20 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin, eine kommunale Gebietskörperschaft, schrieb im Januar 2008 den o.g. Dienstleistungsauftrag zur Straßenreinigung einschließlich der Entsorgung des Kehrgutes mit einer Laufzeit von vier Jahren EU-weit im Offenen Verfahren auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) zur Vergabe aus. Sie unterteilte den Auftrag in zwei Teillose nach Reinigungsgebieten.

Die Antragsgegnerin beabsichtigte, den Zuschlag für beide Lose auf die Angebote der Beigeladenen zu erteilen. Die Antragstellerin rügte diese Entscheidung als vergaberechtswidrig, u.a. im Hinblick auf eine nicht den Anforderungen der Leistungsbeschreibung entsprechende Leistungsausführung und eine fehlende technische Leistungsfähigkeit der Beigeladenen. Im Rahmen des von ihr beantragten Nachprüfungsverfahrens erhob sie weitere Rügen, darunter Mängel in den Bewerbungsunterlagen bezüglich möglicher Nachunternehmer sowie einen Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot.

Die Beigeladene beauftragte ihre jetzigen Verfahrensbevollmächtigten mit der Wahrung ihrer Interessen im Nachprüfungsverfahren. Sie wirkte am Nachprüfungsverfahren mit durch Einreichung mehrerer Schriftsätze und durch Teilnahme an der etwa zweistündigen mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin durch Beschluss vom 23.7.2008 als teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet zurückgewiesen. Sie hat der Antragstellerin u.a. auch auferlegt, die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen zu erstatten, wobei sie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig erklärt hat.

Mit weiterem Beschluss vom 29.10.2008 hat die Vergabekammer die von der Antragstellerin an die Beigeladene zu erstattenden Aufwendungen auf 1.089,40 EUR festgesetzt. Dabei ist sie von einem Gegenstandswert für die gesetzlichen anwaltlichen Gebühren i. S. § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG i.V.m. § 50 Abs. 2 GKG i.H.v. 25.610 EUR (5 % von 512.197,33 EUR) ausgegangen und hat letztlich eine 1,3-fache Gebühr nach §§ 2, 14 RVG i.V.m. VV Nr. 2300 RVG zzgl. Telekommunikationspauschale nach VV Nr. 7002 RVG und Reisekosten nach VV Nr. 7003 bis 7006 RVG für je 140 km An- und Abreise festgesetzt.

Gegen diese ihr am 3.11.2008 zugestellte Entscheidung richtet sich die mit Schriftsatz vom 4.11.2008 erhobene und am nächsten Tage vorab per Fax beim OLG Naumburg eingegangene sofortige Beschwerde der Beigeladenen.

Die Beigeladene ist der Meinung, dass eine 2,0-fache Gebühr nach VV Nr. 2300 RVG angemessen wäre und dass die Reisekosten für 432 km Anreise erstattungsfähig seien. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift vom 4.11.2008 Bezug genommen.

Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt vom 29.10.2008, 2 VK LVwA 7/08, teilweise - im Hinblick auf die Festsetzung derjenigen der Beigeladenen zu erstattenden Aufwendungen - aufzuheben und diese Aufwendungen auf 1.665,60 EUR festzusetzen.

Die Antragstellerin beantragt, die sofortige Beschwerde der Beigeladenen zurückzuweisen.

Sie verteidigt im Wesentlichen die angefochtene Entscheidung...

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