Entscheidungsstichwort (Thema)
Summarische Prüfung der Erfolgsaussicht im Prozesskostenhilfeverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Prozesskostenhilfeverfahren dient mit seiner summarischen Prüfung der Sache nicht dem Zweck, zweifelhafte Rechtsfragen vorab zu entscheiden. Aus diesem Grunde darf die Erfolgsaussicht bei zweifelhaften Rechtsfragen nicht verneint werden. Hierin läge ein Verstoß gegen Art. 3 GG und gegen das Rechtsstaatsprinzip. Auch der bedürftigen Partei muss die Möglichkeit eingeräumt werden, zweifelhafte Rechtsfragen in dem nachfolgenden Gerichtsverfahren prüfen zu lassen und gegebenenfalls auch die nächst höhere Instanz damit zu befassen.
2. Ein PKH-Antrag des antragstellenden Unterhaltsberechtigten darf daher nicht wegen fehlender Erfolgsaussicht zurückgewiesen werden, wenn es vertretbar erscheint, dass der Unterhaltsschuldner sich in unterhaltsrechtlich vorwerfbarer Weise leistungsunfähig gemacht hat.
Normenkette
ZPO § 114
Verfahrensgang
AG Brühl (Beschluss vom 13.09.2005; Aktenzeichen 35 F 160/05) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des AG - FamG - Brühl vom 13.9.2005 - 35 F160/05 - abgeändert.
Der Klägerin wird zur Durchführung der Unterhaltsklage ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt C in L für die erste Instanz ab Antragstellung bewilligt.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige - insb. fristgerecht eingelegte - sofortige Beschwerde der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg. Der beabsichtigten Klage kann nicht von vornherein die gem. § 114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht abgesprochen werden.
Vorliegend geht es in erster Linie darum, ob dem Beklagten vorzuwerfen ist, dass er seine Arbeitsstelle aufgegeben und sich nicht in ausreichendem Maße um eine neue Arbeitsstelle bemüht hat, so dass er leistungsunfähig geworden ist. Hierbei handelt es sich um eine Rechtsfrage, die aufgrund des Tatsachenvortrages der Klägerin nicht ohne weiteres zu verneinen ist.
Das Prozesskostenhilfeverfahren dient aber mit seiner summarischen Prüfung der Sache nicht dem Zweck, zweifelhafte Rechtsfragen vorab zu entscheiden (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 114 Rz. 21, m.w.N.). Deshalb darf die Erfolgsaussicht bei zweifelhaften Rechtsfragen nicht verneint werden. Dies wäre ein Verstoß gegen Art. 3 GG und gegen das Rechtsstaatsprinzip. Denn auch der bedürftigen Partei muss die Möglichkeit eingeräumt werden, zweifelhafte Rechtsfragen in einem ordentlichen Gerichtsverfahren prüfen zu lassen und ggf. die höhere Instanz damit zu befassen (so auch OLG Köln, Beschl. v. 15.9.2005 - 4 WF 136/05).
Das FamG geht in seinem angefochtenen Beschluss für das summarische Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren in nicht zu beanstandender Weise davon aus, dass die Klägerin bedürftig ist. Es hat gem. dem Sachvortrag der Klägerin deren Erwerbsunfähigkeit unterstellt. Dies wird im Verfahren zur Hauptsache aufzuklären sein.
Bei der derzeitigen Sachlage kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte sich in unterhaltsrechtlich vorwerfbarer Weise leistungsfähig gemacht hat, als er freiwillig seine Arbeitsstelle aufgab und sich auch nicht in ausreichendem Maße um eine neue Arbeitsstelle bemühte. Zu Letzterem ist jedenfalls bisher nichts vorgetragen.
Seine Arbeitskraft muss der Unterhaltsverpflichtete entsprechend seiner Vorbildung, seinen Fähigkeiten und der Arbeitsmarktlage in zumutbarer Weise bestmöglich einsetzen. Es ist verfassungsrechtlich anerkannt, dass jedenfalls im Verhältnis zu minderjährigen unverheirateten Kindern und Ehegatten das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 GG), freie Berufswahl und Berufsausübung (Art. 12 GG) hinter das ggf. höher zu bewertende Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung (Art. 6 Abs. 2 GG) und hinter dem besonderen Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG), auch im Rahmen nachwirkender Verantwortung ggü. Ehegatten, zurücktreten muss (Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl. 2004, Rz. 614).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der schwerbehinderte Beklagte ohne weiteres seine Arbeitsstelle aufgeben durfte. Als Schwerbehinderter genoss er besonderen Kündigungsschutz. Andererseits wird er Schwierigkeiten haben, eine neue Arbeitsstelle zu finden. Beachtliche Gründe, die es rechtfertigen könnten, dass ausnahmsweise die Aufgabe der Arbeitsstelle nicht vorwerfbar ist, sind nicht vorgetragen. Solche Gründe vorzutragen, obliegt aber dem Beklagten. Die Klägerin kann aus eigener Anschauung keine detaillierten Angaben zu möglichen Beweggründen des Beklagten machen.
Auch die Tatsache, dass der Beklagte eine Abfindung erhielt, die sofort von seinem Vater gepfändet wurde, für Unterhaltszwecke also nicht zur Verfügung stand, kann daher unter unterhaltsrechtlichen Gesichtspunkten die Aufgabe der Arbeitsstelle nicht rechtfertigen.
Zudem ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte, jedenfalls zu dem Zeitpunkt als er darum wu...