Entscheidungsstichwort (Thema)
Eigenmächtiges Handeln des Arztes nur bei klar geäußertem entgegenstehendem Willen des Patienten
Leitsatz (amtlich)
Gibt der Arzt im Rahmen des Aufklärungsgespräches zu erkennen, dass die konkrete operative Vorgehensweise (hier Einsatz einer einzementierten oder einer zementfreien Hüftprothese) vom jeweiligen intraoperativen Befund abhängig gemacht werden solle, und stellt der Patient nicht unmissverständlich klar, dass er seine Einwilligung ausschließlich für eine bestimmte Vorgehensweise erteile, so liegt kein eigenmächtiges Handeln des Arztes vor, wenn er sich über einen vom Patienten geäußerten Behandlungswunsch hinwegsetzt.
Normenkette
BGB §§ 253, 280, 611, 823
Verfahrensgang
Tenor
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 21.6.2011 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Köln - 3 O 370/09 - gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Der Kläger erhält Gelegenheit, zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Gründe
Die Berufung hat nach gründlicher Prüfung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht noch nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO).
Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann von der Beklagten wegen der Implantation einer nicht zementierten Hüfttotalendoprothese rechts am 13.7.2006 die Zahlung eines Schmerzensgeldes und materiellen Schadensersatz nicht verlangen.
Das LG ist nach dem Ergebnis der Anhörung des Klägers und der Vernehmung der Zeuginnen N. K. und V. K. mit zutreffender Begründung davon ausgegangen, dass der Kläger seine Operationseinwilligung nicht auf den Einsatz einer zementierten Hüftprothese beschränkt hat. Nach den Bekundungen des Klägers und der Zeuginnen hat der Kläger in einem im Vorfeld der stationären Aufnahme geführten Gespräch gegenüber dem für die Beklagte tätigen Arzt erklärt, dass er gerne eine zementierte Hüftprothese hätte, weil er kein Standbein habe. Darauf habe der Arzt sinngemäß gesagt "Wir gucken mal bei der OP" bzw. "Dann sehen wir mal".
Bei dieser Sachlage mussten weder der das Vorgespräch führende Arzt noch der Operateur von einer Beschränkung der Einwilligung auf den Einsatz einer zementierten Prothese ausgehen. Der Gesprächspartner des Klägers hatte durch seine Antwort klar gemacht, dass es für die Frage einer zementierten oder nicht zementierten Prothese grundsätzlich auf die intraoperativ vorgefundenen Verhältnisse ankommt. Sofern der Kläger nach der Antwort des Arztes nicht zum Ausdruck brachte, gleichwohl an seinem Wunsch festzuhalten, durfte der Arzt annehmen, dass der Kläger der ärztlichen Empfehlung einer erst intraoperativ zu treffenden Festlegung folgen wollte. Aus dem in der Berufungsbegründung herausgestellten Umstand, dass der an der linken Hüfte voroperierte Kläger durch den Hinweis auf das fehlende Standbein den Wunsch nach schneller Festigung und Stabilität besonders zum Ausdruck gebracht habe, folgt nichts anderes. Hierbei handelte es sich ersichtlich um einen Gesichtspunkt unter vielen - der Sachverständige Prof. Dr. X. hat die besseren Langzeitergebnisse und geringeren Revisionsraten nicht zementierte Prothesen hervorgehoben (Bl. 173 d.A.) -, so dass für den Gesprächspartner des Klägers, der auf den aus medizinischer Sicht maßgeblichen intraoperativen Befundes hingewiesen hatte, ohne klarstellende Äußerung des Klägers nicht erkennbar wurde, dass dieser ausschließlich in der zunächst angesprochenen Weise operiert werden wollte.
Erst recht gilt dies für den operierenden Arzt, nachdem der Kläger auch nach seinem eigenen Vorbringen in dem eigentlichen, am 12.7.2006 geführten Aufklärungsgespräch (vgl. den Aufklärungsbogen/die Einwilligungserklärung Bl. 85 ff. d.A.) den Wunsch nach einer zementierten Hüftprothese nicht wiederholt hatte und die Frage, ob mit Zement oder ohne Zement implantiert werden sollte, in der vom Kläger unterschriebenen Einwilligungserklärung offen gelassen war. Weder die eine noch die andere Alternative ist angekreuzt.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist.
Fundstellen
Haufe-Index 2969751 |
MedR 2012, 652 |