Verfahrensgang
AG Bergisch Gladbach (Aktenzeichen 28 F 163/22) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. und 2. vom 31.01.2023 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bergisch Gladbach vom 10.01.2023 (28 F 163/22) wird dieser aufgehoben, soweit den Kindeseltern das Sorgerecht für den Bereich "Gesundheitsfürsorge" entzogen worden ist. Im Übrigen wird die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Beteiligten zu 1. und 2. haben 2/3 der Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Im Übrigen werden Gerichtskosten nicht erhoben und außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1. und 2. (im Folgenden: Kindeseltern) sind die Eltern des am 07.12.2021 geborenen verfahrenbetroffenen Kindes L. Sie sind weiter die Eltern von der am 09.11.2017 geborenen S.. Bis zur stationären Aufnahme von L am 26.03.2022 lebte die Familie zusammen.
Nach der Geburt von L. führten die Kindeseltern die jeweiligen Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt der Kinder, Herr P., durch. Die letzte war am 21.03.2022. Die Durchführung des Lagerreaktionstest war nach Angaben des Kinderarztes nicht möglich, weil L. so sehr schrie. Diesen Umstand vermerkte er in der Patientenakte; weitere Anmerkungen zu Auffälligkeiten finden sich nicht.
Die Kindeseltern stellten L. am 25.03.2022 in der Kinderklinik St. Marien Hospital in Bonn vor, da das Baby seinen linken Arm nicht mehr richtig benutzte. Bei der Aufnahme habe der Vater, so der Bericht der Klinik datiert auf den 28.03.2022 und ausgedruckt am 06.05.2022 erklärt, L. habe sich am Vorabend gegen 19:00 Uhr auf dem Arm des Vaters gedreht, dann sei ein "Knacken" zu hören gewesen. Das Kind sei nicht heruntergefallen, die Mutter sei nicht zugegen gewesen, das Kind sei den ganzen Tag entweder bei der Mutter oder dem Vater gewesen und nicht fremd versorgt worden. Auch in den Tagen zuvor sei das Kind nicht von fremden Personen betreut worden. Die Kindesmutter habe angegeben, sie sei bei dem Unfall nicht zugegen gewesen, ihr Mann habe erzählt, er habe L. fest packen müssen, weil sie sich überstreckt habe, damit sie nicht herunterfalle. Dabei habe es geknackt. Bei der körperlichen Untersuchung fanden sich laut des ärztlichen Berichts zahlreiche Hämatome rechtsseitig und unterhalb beidseitig des Bauchnabels, die fotografisch dokumentiert wurden. Sie umfassen fast das ganze Gebiet rechts vom Bauchnabel und unterhalb des Bauchnabels und waren zum Zeitpunkt der Aufnahmen deutlich zu erkennen. Hierzu befragt habe der Kindesvater, so der Bericht weiter, angegeben, das Baby habe begonnen, sich immer wieder selbst zu kneifen. Die Kindesmutter habe erklärt, L. fange an, "die Fäustchen zum Mund zu führen", sie würde sich jetzt auch kneifen. Vielleicht habe sie sich ja selber gekniffen.
L. wurde am Aufnahmetag geröntgt. Die Klinik diagnostizierte eine Humerusschaftfraktur links im mittleren Drittel in achsgerechter Stellung ohne Hinweis auf eine Luxationsfehlstellung.
Bei weiteren Röntgenuntersuchungen am 30. und 31.03.2022 ergab sich das Bild einer bilateralen älteren Rippenfraktur jeweils im medialen Drittel auf der rechten und linken Seite. In dem Bericht der Klinik heißt es hierzu: "Bild bilateraler älterer Rippenfraktur jeweils im medialen Drittel. Typisch kallöse Reaktionen zeigen sich an der medialen elften und zwölften Rippe links sowie an der medialen elften Rippe rechts. Sonst kein anderweitiger Frakturnachweis." Die weiteren Untersuchungen ergaben keinen weiteren sicheren Frakturnachweis, wobei die Röntgenaufnahmen weiter eine morphologisch auffällige Kontur der distalen rechten Tibia- und Fibulametaphyse ergab, die jedoch nicht sicher einer frischen oder stattgehabten Fraktur zugeordnet werden konnte.
In dem Bericht heißt es sodann wie folgt weiter:
"Die Gerinnungsdiagnostik keine Auffälligkeiten, somit keine erhöhte Blutungsneigung. Das von den Eltern berichtete "Selbstzwicken" des Kindes am Bauch, was die Hämatome hervorgerufen haben soll, wurde hier zu keiner Zeit beobachtet. Das Kind zeigte sich ruhig, ausgeglichen und hatte keine Schmerzen. ... Bei kompletter Querfraktur des Oberarms und unpassende Anamnese ist von einer massiven äußerlichen Gewalteinwirkung auszugehen, zudem die Hämatome am Bauch zwischen Bauchnabel und Windel, für die es ebenfalls keine plausible Erklärung gab und die hochverdächtig waren .... Auch fanden sich die alten Rippenfrakturen im Skelettscreening, auch hierfür gab es keine plausible Erklärung. Dies wurde mit den Eltern klar kommuniziert und eine Kindeswohlgefährdung bei schwerer Verletzung ohne plausible Erklärung ausgesprochen."
Das Jugendamt informierte das Polizeipräsidium Bonn mit Schreiben vom 01.04.2022 über die medizinischen Befunde bei L.. Daraufhin wurde ein Strafverfahren gegen den Kindesvater eingeleitet (783 Js 453/22 Staatsanwaltschaft Bonn). Sowohl die Kindeseltern als auch die Großeltern von L. wurden polizeilich vernommen; die Vernehmungen wurden ton...