Entscheidungsstichwort (Thema)
Strafverfahrensrecht
Leitsatz (amtlich)
Zum Begriff der Tat im verfahrensrechtlichen Sinn beim zeitlichen Zusammentreffen von Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und Unerlaubtem Entfernen vom Unfallort
Normenkette
StPO § 264
Tenor
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
I.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat den Sachverhalt in ihrer Vorlageverfügung vom 22. Juni 2021 wie folgt zusammengefasst:
"Das Amtsgericht Bergheim hat den Angeklagten am 15.03.2021 (42 Ls-186 Js 934/19-1/20) wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt (Bl. 220 ff. d. A.).
Der Entscheidung liegt folgende Sachverhaltsdarstellung des Amtsgerichts zugrunde:
"Am 16.06.2019 fand gegen 13:50 Uhr eine polizeilichen Kontrolle der Person des Angeklagten in der A-Straße 36, B in der 1. Etage statt. In deren Verlauf wurden beim Angeklagten in einer schwarzen Umhängetasche insgesamt 50,83 g netto Marihuana in zwei Klarsichttüten und in 23 verkaufsfertigen Druckverschlusstütchen aufgefunden und sichergestellt. Zudem wurden zwei Druckverschlusstütchen mit 1,2 g Kokain aufgefunden und sichergestellt. Weiterhin wurden in der Tasche eine Packung Marlboro, OCB Longpaper und ein Mobiltelefon der Marke "Samsung" aufgefunden und sichergestellt.
Die sichergestellten 50,83 g Marihuana wiesen eine Wirkstoffgehalt von 15,4 % mit einer Wirkstoffmenge von 7,85 g THC auf. Die sichergestellten 1,9 g Haschisch wiesen einen Wirkstoffgehalt von 33,3% mit einer Wirkstoffmenge von 0,64 g THC auf. Insgesamt befasste der Angeklagte sich mit 8,49 g THC.
Die sichergestellten 1,2 g Kokain wiesen einen Wirkstoffgehalt von 87,4 % mit einer Wirkstoffmenge von 1,08 g Kokainhydrochlorid auf.
Die unter das Betäubungsmittelgesetz fallenden Stoffe waren zum Gewinn bringenden Weiterverkauf bestimmt.
Im Rahmen der vorgenannten polizeilichen Kontrolle wurden außerdem 420,- € Bargeld in szenetypischer Stückelung aufgefunden und sichergestellt. Wegen der Stückelung im Einzelnen wird auf die Anklageschrift 186 Js 934/19 StA Köln Bezug genommen."
...
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 22.03.2021 hat der Angeklagte gegen dieses Urteil Berufung eingelegt (Bl. 215 d. A.) und dieses Rechtsmittel - nach Zustellung des Urteils an den Angeklagten am 26.03.2021 (Bl. 231 d. A.) und an den Verteidiger am 06.04.2021(Bl. 233 d. A.) - mit weiterem Schriftsatz vom 07.04.2021, bei Gericht eingegangen am 08.04.2021 (Bl. 234 d. A.), in das Rechtsmittel der (Sprung-)Revision abgeändert (Bl. 235 ff. d. A.). Mit dieser rügt er die Verletzung sachlichen Rechts und strebt eine Verfahrenseinstellung an. Zur Begründung führt er aus, es habe das Verfahrenshindernis des anderweitigen Strafklagverbrauchs im Hinblick auf eine zuvor erfolgte rechtskräftige Verurteilung wegen einer nur kurze Zeit vor der Kontrolle begangenen Verkehrsunfallflucht bestanden."
Darauf nimmt der Senat Bezug. Er hat die Akten 962 Js 5714/19 StA Köln beigezogen. In jenem Verfahren ist gegen den Angeklagten unter dem 11. Oktober 2019 ein rechtskräftig gewordener Strafbefehl wegen des Vorwurfs des unerlaubten Entfernens vom Unfallort ergangen. Dem Angeklagten wird darin zur Last gelegt, am 16. Juni 2019 in B als Fußgänger beim Überqueren der C Straße eine Kollision mit einem PKW verursacht und sich anschließend unter Verstoß gegen die Pflichten aus § 142 StGB vom Unfallort entfernt zu haben.
II.
Die gemäß § 335 Abs. 1 StPO statthafte und Zulässigkeitsbedenken nicht unterliegende Sprungrevision hat Erfolg. Der Fortführung des Verfahrens gegen den Angeklagten steht das Hindernis des Strafklageverbrauchs entgegen. Es ist daher gem. § 206 a StPO endgültig einzustellen.
1.
Die Generalstaatsanwaltschaft führt zutreffend aus:
"Der prozessuale Tatbegriff gemäß Art. 103 Abs. 3 GG, § 264 StPO verbürgt den Grundsatz der Einmaligkeit der Strafverfolgung. Die Vorschrift will den Bürger davor schützen, dass er wegen einer bestimmten Tat, derentwegen er schon strafgerichtlich zur Verantwortung gezogen worden ist, nochmals in einem neuen Strafverfahren verfolgt wird (BGHSt 28, 119, 121). "Tat" im Sinne dieser Bestimmung ist ein "konkretes Vorkommnis", ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang, der sich von anderen ähnlichen oder gleichartigen unterscheidet. Zu diesem Vorgang gehört das gesamte Verhalten des Täters, soweit es nach natürlicher Lebensauffassung einen einheitlichen Lebensvorgang darstellt. Zwischen den einzelnen Verhaltensweisen des Täters muss eine "innere Verknüpfung" bestehen, dergestalt, dass ihre getrennte Aburteilung in verschiedenen erstinstanzlichen Verfahren als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würde. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an (so insgesamt SenE v. 28.06.2016 - III-1RBs 1...