Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Befunderhebungspflichtverletzung bei nicht restlos ausgeräumten Verdacht auf Appendizitis
Leitsatz (amtlich)
Äußert ein fünfjähriges Kind Bauchschmerzen, die nicht nur am rechtsseitigen Unterbauch sondern allseitig auftreten, ergibt eine sonografische Untersuchung den Befund einer Obstipation und bessert sich die Symptomatik nach Gabe eines Abführmittels, so ist es nicht behandlungsfehlerhaft, wenn trotz leicht erhöhter Temperatur und nicht sicherem Ausschluss einer Appendizitis diesbezüglich weitere Abklärungen durch (wenig verlässliche) Laboruntersuchungen oder gar durch eine explorative Laparoskopie unterbleiben.
Normenkette
BGB §§ 249, 253, 280, 611, 823
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 08.07.2014; Aktenzeichen 25 O 39/13) |
Tenor
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 8.7.2014 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des LG Köln - 25 O 39/13 - gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Die Klägerin erhält Gelegenheit, zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Gründe
Die Berufung hat nach gründlicher Prüfung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO).
Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin kann von der Beklagten gem. §§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1, 831 Abs. 1, 253 Abs. 2 ZPO weder die Zahlung eines Schmerzensgeldes noch materiellen Schadensersatz verlangen.
Das LG hat Behandlungsfehler nach Einholung eines kinderärztlichen Gutachtens von Prof. Dr. X in rechtlich nicht zu beanstandender und den Senat gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindender Weise nicht festgestellt. Der Sachverständige Prof. Dr. X, dem das LG gefolgt ist, ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beklagte zu 2) am 20.5.2012 bei der Vorstellung der Klägerin in der Kinder-Ambulanz der Beklagten zu 1) weder die Diagnose einer Appendizitis stellen, noch eine weitere diagnostische Abklärung, etwa die Erhebung von Laborbefunden, vornehmen oder veranlassen noch die Klägerin stationär aufnehmen musste.
Zur Begründung hat er ausgeführt, dass Bauchschmerzen eines knapp fünf jährigen Kindes viele Ursachen haben könnten, beispielsweise einen Magendarminfekt, Verstopfung, Invagination, Appendizitis, Hepatitis oder eine Harnwegsinfektion. Im vorliegenden Behandlungsfall sei eine Appendizitis jedoch nicht in die engere Differentialdiagnose einzubeziehen gewesen. Bei der klinischen Untersuchung und dem Abtasten des Bauches, die für einen Notfalltermin ausreichend dokumentiert seien, hätten sich ein ubiquitärer, also allseitiger Druckschmerz, nicht aber die typischen Zeichen einer Appendizitis in Gestalt eines rechtsseitigen Unterbauchschmerzes und eines linksseitigen Loslasschmerzes gezeigt. Ferner habe der sonografische Befund des Fehlens einer Kokarde gegen eine Appendizitis gesprochen, ohne sie auszuschließen. Bei der Sonografie habe der Beklagte zu 2) zudem eine Koprostase, das heißt eine Verstopfung, gesehen und beschrieben, die sich nach Gabe eines Abführmittels ausweislich der Dokumentation deutlich gebessert habe. Daher habe er als wahrscheinlichste Diagnose und Erklärung für die Beschwerden einer Verstopfung annehmen dürfen. Laborbefunde hätten erhoben werden können, nach fachärztlichem Standard aber nicht erhoben werden müssen. Dies gelte insbesondere angesichts der Verbesserung der Symptomatik nach der Gabe des Abführmittels. Ohnehin hätten unauffällige Laborwerte eine Appendizitis nicht ausgeschlossen, während auffällige Laborwerte auf einen entzündlichen Prozess, nicht aber notwendig auf eine Appendizitis hingewiesen hätten. Die leicht erhöhte Temperatur von 37,6 führe zu keiner anderen Beurteilung. Sie könne bei banalen Infekten im Kindesalter rasch entstehen. Bei dem festgestellten Befund habe die Klägerin mit der Maßgabe nach Hause geschickt werden können, sich bei einer Verschlechterung der Situation umgehend wieder vorzustellen.
Die Einwendungen, die die Klägerin gegenüber dieser überzeugenden Beurteilung erhebt, greifen nicht durch. Sie ist in sich schlüssig. Prof. Dr. X hat die klinischen und sonografischen Befunde aufgezeigt, die gegen die bei Bauchschmerzen grundsätzlich in Betracht kommende Diagnose Appendizitis und für eine Verstopfung als Ursache sprachen, und nachvollziehbar erläutert, dass die vom Beklagten zu 2) gestellte und im Bericht vom 20.5.2012 dokumentierte Diagnose einer Obstipation durch den Erfolg der eingeleiteten abführenden Therapie gestützt wurde.
Zwar mag es sein, dass eine Appendizitis - wie die Klägerin in der Berufungsbegründung geltend macht - nicht sicher ausgeschlossen war. Ein nicht sicher auszuschließender Verdacht konnte aber keinen Anlass zu einer explorativen Laparoskopie geben. Der Beklagte zu 2) durfte sich vielmehr mit einem hinreichend sicheren Ausschlu...