Leitsatz (amtlich)
Der Patient wird durch die Auswahl eines Gutachters einer Fachrichtung, die in der streitigen Behandlungssituation strengere Anforderungen an Diagnostik und Therapie stellt als die Fachrichtung des behandelnden Arztes, grundsätzlich nicht beschwert (konkret: Kinderchirurg statt Kinderarzt bei Streit um die Rechtzeitigkeit der kinderärztlichen Reaktion auf eine Blinddarmentzündung).
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 25 O 269/19) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 25.01.2023 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln - Az. 25 O 269/19 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Dieses sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der am 00.00.2008 geborene Kläger hat gesetzlich vertreten durch seine Eltern gegen die Beklagten zu 1) bis 3) Ansprüche auf Schmerzensgeld, materiellen Schadensersatz sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden geltend gemacht.
Der Kläger entwickelte am Samstag, den 24.09.2016, Fieber und Schmerzen auf der rechten Bauchseite. Er suchte daher in Begleitung seines Vaters die Notfallpraxis in K.-J. auf, in der die Beklagte zu 1) an diesem Tag Dienst hatte.
In dem Notfallvertretungsschein wurde auszugsweise folgendes dokumentiert:
"Diagnosen: Obstipation; Fieberhafter Infekt...
Befunde/ Therapie: Bauchschmerzen-Fieber, Urin o[hne] B[efund]; B [efund]: A [llgemein] Z[ustand] gut, Abd[omen] gebl[äht], rege PR [Peristaltik= Darmbeweglichkeit], D[ruck] S[chmerz] re[chter] U[nter]B[auch], keine A[bwehr] S[pannung] keine L[os]L[ass]S[chmerzen], C (Cor= Herz), P (Pulmo =Lunge) /HNO oB
E [mpfehlung]: Klystier [Einlauf] festen Stuhl abgesetzt. E: viel Trinken WV [Wiedervorstellung] bei Verschlechterung. ..."
Unstreitig wurde durch eine Urinuntersuchung ein Harnwegsinfekt ausgeschlossen, eine Temperaturmessung und eine Bestimmung der Entzündungsparameter erfolgten nicht. Dem Kläger wurde als abführende Maßnahme ein Klistier verabreicht, woraufhin er Stuhlgang hatte und die Schmerzen nachließen. Daraufhin wurde er mit der Diagnose Obstipation und fieberhafter Infekt nach Hause entlassen mit der Maßgabe, sich im Fall einer Verschlechterung des Allgemeinzustands oder eines erneuten Auftretens von Bauchschmerzen erneut vorzustellen.
Am Montag, dem 26.09.2016, suchten die Eltern des Klägers mit ihm die Praxis der Beklagten zu 2), einer niedergelassenen Kinderärztin, auf. In deren handschriftlicher Dokumentation heißt es auszugsweise: "...hatte Fieber, hustet, B[auch]S[chmerzen], hat Stuhlgang, geht gebeugt, C[or], P[ulmo] T[rommel] F[ell] o.B., Rari [Rachenring] leicht gerötet, A [bdomen] weich, Ø [kein] DS [Druckschmerz], D[iagnose]: "Virus Infekt, Fieber, BS, Iberogast ...". Die Beklagte zu 2) stellte die Diagnose eines Virusinfektes mit Bauchschmerzen und Fieber und gab dem Kläger Iberogast-Tropfen mit. Am nächsten Tag, dem 27.09.2016, wurde der Kläger erneut in der Praxis der Beklagten zu 2) vorstellig, nachdem er in der Nacht zuvor erbrochen hatte. Er klagte über Durchfall und starke Bauchschmerzen. In der klinischen Untersuchung zeigte sich ein angespanntes Abdomen. Die Beklagte zu 2) wies den Kläger daraufhin zum Ausschluss einer akuten Appendizitis notfallmäßig in das Haus der Beklagten zu 3) ein.
Gegen 11:40 Uhr desselben Tages wurde der Kläger in der Ambulanz im Haus der Beklagten zu 3) vorstellig. Im Rahmen der klinischen Untersuchung zeigte sich ein diffuser Druckschmerz vor allem im rechten Unterbauch. Ein klinisch durchgeführter McBurney-Test war positiv. Es wurde eine Sonografie des Abdomens durchgeführt, bei der sich intraabdominal keine freie Flüssigkeit zeigte. Der Appendix zeigte sich jedoch deutlich wandverdickt und es konnte eine entzündlich ausgedehnte Veränderung des Gewebes um den Appendix festgestellt werden. Es wurde die Verdachtsdiagnose einer Appendizitis mit entzündlicher Begleitreaktion ohne Nachweis freier Flüssigkeit gestellt, die Operation indiziert und der Kläger stationär aufgenommen. Um 17.10 Uhr wurde die Operation als laparoskopischer Eingriff begonnen. Es zeigte sich der Befund eines gedeckt perforierten Appendix. Daraufhin wurde auf ein offen-chirurgisches Verfahren umgestiegen. Postoperativ litt der Kläger zunächst unter erheblichen Bauchschmerzen, einem geblähten Abdomen, Übelkeit und Erbrechen. Er erhielt regelmäßig Schmerzmedikamente. Es erfolgten der Kostaufbau und die Mobilisierung. Die Entzündungsparameter waren rückläufig. Am 03.10.2016 wurde der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen.
Am 06.10.2016 wurde der Kläger notfallmäßig erneut im Haus der Beklagten zu 3) stationär aufgenommen mit Bauchschmerzen, galligem Erbrechen und mäßig erhöhten Entzündungsparametern. Sonographisch waren weder fre...