Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustellung an Anschrift einer unbewohnbaren Wohnung
Leitsatz (amtlich)
Hat ein Vermieter in Abwesenheit des Mieters dessen Wohnung selbstherrlich unbewohnbar gemacht und die Sachen des Mieters aus ihr fortschaffen lassen, so kann er dem Mieter an diese Adresse nicht wirksam eine Räumungs- und Zahlungsklage zustellen lassen. Die unbewohnbaren Räumlichkeiten stellen keine, Wohnung§ i.S. von § 181 ZPO dar, auch wenn der Mieter in Unkenntnis der Vorgänge nachwievor in der Wohnung polizeilich gemeldet ist.
Normenkette
ZPO §§ 181, 195
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 11.10.1995; Aktenzeichen 3 O 275/95) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 11.10.1995 – 3 O 275/95 – aufgehoben. Es wird festgestellt, daß der Einspruch des Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen vom 22.02.1995 – 95-2019151-0-8 – zulässig ist. Der Wert der Beschwer in der Hauptsache beträgt 68.250,00 DM.
Gründe
Der obengenannte Vollstreckungsbescheid wurde dem Beklagten unter der Anschrift G. Str. 30 in K. am 24.02.1995 nach vorausgegangenen erfolglosem Zustellversuch in der Wohnung durch Niederlegung zugestellt. Die schriftliche Benachrichtigung hierüber wurde wie bei gewöhnlichen Briefen üblich abgegeben (Hausbriefkasten). Der Beklagte hat gegen den Vollstreckungsbescheid durch Telefaxschreiben seiner Bevollmächtigten am 10.05.1995 Einspruch eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt mit der Begründung, er habe weder den Mahnbescheid noch den Vollstreckungsbescheid jemals erhalten und habe auch nie einen Benachrichtigungszettel des Postboten vorgefunden. Hierauf ist die Sache an das Landgericht Köln abgegeben worden.
Der Beklagte hat ergänzend vorgetragen: Er habe die Wohnung G. Str. 30 von der Klägerin angemietet. Zwischen den Parteien liefen in diesem Zusammenhang mehrere Rechtsstreitigkeiten. Er habe die Wohnung an Frau S. E. untervermietet. Am 18.02.1995 sei er in Urlaub gefahren und am 28.02.1995 zurückgekehrt. Er habe seine Wohnung vollständig ausgeräumt und in einem verwüsteten unbewohnbaren Zustand vorgefunden. Die Untermieterin E. habe er erst ausfindig machen müssen. Diese habe ihm berichtet, am 18.02.1995 sei während ihrer Abwesenheit zum erstenmal in die Wohnung eingebrochen und das Mietvertragsexemplar der Parteien entwendet worden. Am 21.02.1995 seien im Auftrag der Klägerin vier Männer unter Aufbruch der Wohnungstür eingedrungen und hätten unter Hinweis auf einen angeblichen Räumungstitel des Amtsgerichts erklärt, die Wohnung müsse geräumt werden. Frau E. soll sich fügen. Ein Herr R. von der Klägerin habe ihr dies telefonisch bestätigt und gesagt, das Haus müsse an den Käufer J. übergeben werden. Frau E. habe keine Möglichkeit der Gegenwehr mehr gesehen. Am 22.02.1995 hätten die vier Männer sämtliche Möbel – darunter die Einbauküche – aus der Wohnung entfernt und abtransportiert. Die verklebten Teppichböden in vier Zimmern seien herausgerissen worden. Die Gardinenstangen und Halterungen seien ebenfalls aus der Wand gerissen worden. Es hätten Putz- und Mauerwerksstücke herumgelegen. Der Briefkasten sei aufgebrochen, das Schild abgerissen gewesen. Sämtliche Post habe gefehlt. Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, wegen der Unbenutzbarkeit der Wohnung sei dort eine wirksame Zustellung nicht möglich gewesen.
Die Klägerin ist der Tatsachendarstellung des Beklagten nicht substantiiert entgegengetreten.
Durch Beschluß vom 11.10.1995 hat das Landgericht den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten zurückgewiesen, da er nach Urlaubsrückkehr angesichts des aufgebrochenen und ausgeräumten Briefkastens Nachforschungen über zwischenzeitlich eingegangene Postsendungen hätten anstellen müssen. Hierzu habe besondere Veranlassung bestanden, weil ihm am 24.01.1995 der Mahnbescheid in dieser Sache zugestellt worden sei. Die Wohnung G. Str. 30 sei trotz der vorgetragenen Einbrüche die geeignete Zustelladresse gewesen. Gegen diesen ihm am 20.10.1995 zugestellten Beschluß hat der Beklagte am 02.11.1995 sofortige Beschwerde eingelegt.
Er wiederholt, daß die Wohnung am 22.02.1995 aufgegeben worden sei und sich demzufolge dort keine Zustelladresse mehr befunden habe. Im übrigen habe er von der Zustellung ohne sein Verschulden keine Kenntnis erhalten. Er habe in Unkenntnis des vorangegangenen Mahnbescheides keinerlei Veranlassung gehabt, insoweit Nachforschungen anzustellen. Er habe erst am 08.05.1995 durch den Gerichtsvollzieher erstmals von dem Vollstreckungsbescheid erfahren.
Die Klägerin behauptet demgegenüber, ihr eigener Anwalt habe sich mehrfach davon überzeugt, daß der Name des Beklagten nach wie vor an der Haustür stehe. Sie meint, es sei nicht erkennbar, was das „angebliche Eindringen” wessen auch immer in die Wohnung im Obergeschoß damit zu tun habe, daß ihm die Post nicht ordentlich zugestellt werden könne. Der Beklagte habe seinen Wohnsitz noch immer in der G. Str. 30, wenngleich er sich dort ...