Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für die Durchführung eines Wechselmodells bei der Kinderbetreuung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Frage, ob ein Wechselmodell der seelisch-geistigen Entwicklung eines Kindes am besten entspricht, kann nicht generalisierend beantwortet werden. Vielmehr ist stets auf den Einzelfall abzustellen. Sind sich die Kindeseltern einig und ziehen an einem Strang, braucht der häufige Wechsel zwischen den beiden Elternteilen und die nicht eindeutigen Zuordnung zu einem Haushalt nicht gegen das Kindeswohl zu sprechen. Auch das Alter des jeweiligen Kindes spielt hier eine Rolle. Je jünger das Kind ist, desto verlässlicher muss eine Orientierung sein. Von daher kann, muss aber nicht unbedingt ein Hin- und Herwechseln zu einer gewissen Desorientierung führen.

Sind dagegen die Kindeseltern wegen ihrer offen ausgetragenen Zerstrittenheit nicht in der Lage, sozial adäquat angemessen miteinander umzugehen und zu kommunizieren, fehlt es an einer Grundvoraussetzung für die Durchführung eines Wechselmodells, weil dem Kind nicht der Eindruck einvernehmlicher Sorge und Verantwortung für es vermittelt wird und daher nur die ohnehin vorhandene trennungsbedingte Verunsicherung verstärkt wird. Dies hat zur Folge, dass dem Kind ein verlässlicher Orientierungsrahmen für seinen Lebensmittelpunkt entsprechend seinen Bedürfnissen und seinem Willen gegeben werden muss, es also weiß, welches sein Zuhause ist.

 

Normenkette

BGB § 1684 Abs. 3, § 1697a

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Beschluss vom 11.10.2011; Aktenzeichen 401 F 63/10)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bonn vom 11.10.2011 - 401 F 63/10 -, mit welchem in dem dort tenorierten Umfang das Umgangsrecht des Kindesvaters mit seinem Sohn M. geregelt worden ist, wird auf Kosten des Kindesvaters zurückgewiesen.

 

Gründe

Die gem. §§ 58, 59, 61, 63, 64, 111 Nr. 2, 151 Nr. 2 FamFG zulässige - insbesondere form- und fristgerecht eingelegte - Beschwerde des Kindesvaters hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Familiengericht in dem tenorierten Umfang das Umgangsrecht des Kindesvaters gem. §§ 1684 Abs. 3, 1697a BGB geregelt, nachdem sich die Kindeseltern über den Umfang des Umgangsrechtes des Kindesvaters nicht hatten einigen können und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten die getroffenen Regelungen dem Wohl des Kindes N. am besten entsprechen.

Sowohl für die Regelung zum Umgangsrecht wie auch zum Sorgerecht in dem Verfahren 4 UF 259/11 OLG Köln = 401 F 62/10 ist eine Kindeswohlentscheidung zu treffen. Entsprechend den Grundsätzen des BVerfG (vgl. hierzu u.a. BVerfG FamRZ 2010, 865; BVerfG E 79, 201) ist bei einer Entscheidung über die elterliche Sorge wie auch zum Umgangsrecht sowohl dem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG als auch der Grundrechtsposition des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG Rechnung zu tragen. Im Rahmen der erforderlichen Abwägung der verfassungsrechtlich geschützten Rechte ist jedoch im Bereich des Art. 6 Abs. 2 GG das Wohl des Kindes immer das entscheidende Kriterium. Bei Interessenkonflikten zwischen dem Kind und seinen Eltern muss damit das Kindeswohl allein bestimmend sein. Das Kind ist ein Wesen mit eigener Menschenwürde und eigenem Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit aus Art. 1 Abs. 1 GG sowie Art. 2 Abs. 1 GG (BVerfG E 24, 119). Es bedarf des Schutzes und der Hilfe, um sich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft zu entwickeln. Gerade unter diesem Gesichtspunkt ist grundsätzlich der Wille des Kindes beachtlich, soweit dieser mit seinem Wohl vereinbar ist bzw. überhaupt eindeutig festgestellt werden kann (vgl. BVerfG E 55, 171; BVerfG FamRZ 2008, 1737). Daher muss jede gerichtliche Lösung eines Konflikts zwischen den Eltern, der sich auf die Zukunft des Kindes auswirkt, neben dem Kindeswohl auch seine grundrechtlich geschützte Individualität berücksichtigen; denn die umgangs- wie sorgerechtliche Regelung nimmt entscheidenden Einfluss auf das weitere Leben des Kindes und betrifft es ganz unmittelbar in seinen grundrechtlich geschützten Rechten (vgl. BVerfG E 37, 217; 55, 171).

Wegen dieser grundrechtlich geschützten Sphäre des Kindes als selbständiger Grundrechtsträger ist der Maßstab für die Entscheidung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht wie auch zum Umgangsrecht stets das Kindeswohl. Gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls sind die Bindung des Kindes, die Prinzipien der Förderung (Erziehungseignung) und der Kontinuität. Die einzelnen Kriterien stehen aber letztlich nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander. Jedes von ihnen kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht (vgl. BGH FamRZ 2011, 796-801; 2010, 1060; 1990, 392 f. m.w.N.). Erforderlich ist eine alle Umstände des Einzelfalles abwägende Entscheidung. Hierbei sind alle von den Verfahrensbeteiligten ...

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