Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Zulässigkeit der Auslieferung zur Vollstreckung eines Abwesenheitsurteils nach Rumänien
Tenor
Gegen den rumänischen Staatsangehörigen D. wird die Auslieferungshaft angeordnet.
Gründe
I. Mit Europäischem Haftbefehl des Gerichtshofes in A. vom 06.10.2011 ersuchen die rumänischen Behörden um die Auslieferung des Verfolgten aus Deutschland nach Rumänien zur Strafvollstreckung. Der Verfolgte ist durch Urteil des Gerichtshofes in A. vom 16.06.2011 in seiner Abwesenheit wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden; die Strafe ist noch voll zu verbüßen. Der Verurteilung liegt zu Grunde, dass der Verfolgte am 30.01.2011 in A. mit seinen Mittätern, allesamt maskiert, das Restaurant ... betreten und die dort anwesenden Gäste unter Drohung mit einem Baseballschläger aufgefordert hat, ihre Handys abzugeben. Sie verließen das Restaurant mit den Handys der Geschädigten und dem Musikverstärker des Restaurants.
Der Verfolgte ist seit dem 7.03.2011 in der Bundesrepublik inhaftiert, zunächst in Untersuchungshaft für das Verfahren StA K. Az. ..., sodann in Untersuchung- und anschließender Strafhaft für das Verfahren Az. ... StA N.-F. In diesem Verfahren ist er durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts N. am 19.10.2011 wegen schweren Bandendiebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten verurteilt worden. Es besteht ein weiterer Untersuchungshaftbefehl der StA M. vom 11.07.2011, Az.....
Die Generalstaatsanwaltschaft Köln hat dem Senat die Akten mit dem Antrag übersandt, gegen den Verfolgten einen Auslieferungshaftbefehl zu erlassen.
II. Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft ist zu entsprechen. Gegen den Verfolgten ist nach § 15 Abs. 1 IRG die Auslieferungshaft anzuordnen.
Die Auslieferung der Verfolgten zur Strafvollstreckung auf der Grundlage des von den rumänischen Behörden vorgelegten Europäischen Haftbefehls ist nicht von vorneherein unzulässig, § 15 Abs. 2 IRG. Der Europäische Haftbefehl ist nach §§ 79 Abs. 1 S. 1, 83 a Abs. 1 IRG als Auslieferungsersuchen der rumänischen Behörden anzusehen. Er enthält alle nach § 83 a Abs. 1 IRG erforderlichen Angaben. Der dem zu vollstreckenden Urteil zugrundeliegende Sachverhalt ist hinreichend beschrieben. Die bei der Verurteilung angewendeten rumänischen Strafbestimmungen (Artikel 211, 37 des rumänischen StGB) sind in dem Europäischen Haftbefehl wörtlich wiedergegeben.
Die dem Verfolgten zur Last gelegten Straftat stellt eine Katalogtat im Sinne des Artikel 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13.06.2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 190 S. 1) dar, auch wenn sie im Europäischen Haftbefehl als solche nicht ausdrücklich bezeichnet ist .Die beiderseitige Strafbarkeit bedarf deshalb gemäß § 81 Nr. 4 IRG keiner Prüfung, ist aber auch unproblematisch gegeben, da nach dem im Europäischen Haftbefehl mitgeteilten Sachverhalt der Straftatbestand des schweren Raubes verwirklicht wurde, der nach deutschem Recht gemäß § 250 Abs. 2 StGB strafbar ist.
Die Auslieferungsfähigkeit ist nach § 81 Nr. 2 IRG gegeben, da eine Freiheitsstrafe von mehr als 4 Monaten zu vollstrecken ist.
Ein Zulässigkeitshindernis nach § 83 Nr. 3 IRG aufgrund der Verurteilung in Abwesenheit besteht nicht.
Zwar ist nicht davon auszugehen, dass der Verfolgte zu dem Termin, der zu dem Abwesenheitsurteil geführt hat, "persönlich geladen" oder auf andere Weise davon unterrichtet worden war und das Zulässigkeitshindernis nach § 83 Nr. 3 IRG bereits deshalb entfallen würde. Die Angabe im Europäischen Haftbefehl, dass der Verfolgte "gesetzlich vorgeladen" wurde, besagt nur, dass diese nach dem rumänischen Recht geltende Voraussetzung für eine strafrechtliche Verurteilung Abwesender eingehalten worden sind. Ob der Verfolgte "persönlich", d.h. durch Aushändigung der Zustellung an ihn selbst geladen wurde oder auf andere Weise (sichere) Kenntnis von der Verhandlung hatte, folgt daraus nicht. Dagegen spricht, dass der Verfolgte sich zum Zeitpunkt der Verurteilung durch den Gerichtshof in Arad am 16.06.2011 bereits seit mehr als drei Monaten in der Bundesrepublik in Haft befunden hat.
Das Zulässigkeitshindernis nach § 83 Nr. 3 IRG wird aber dadurch ausgeräumt, dass dem Verfolgten das Recht auf ein neues Verfahren eingeräumt wird, in dem er sich persönlich sich in der Gerichtsverhandlung verteidigen kann und der erhobene Vorwurf umfassend geprüft wird.
Der Europäische Haftbefehl vom 6.10.2011 enthält die Zusicherung der rumänischen Behörden, dass der Verfolgte nach Art. 522 Index 1 der rumänischen Strafprozessordnung die Wiederaufnahme der Sache bei dem Gericht, das die Sache beurteilt hat, beantragen kann. Mit dieser Garantie, die bereits nach altem Recht bestanden hat (vgl. Senat 29.12.1998 - Ausl 436/98 - 21 -) und dem Senat aus diversen anderen Auslieferungsverfahren mit Rumänien bekannt ist, ohne dass jemals über Verstöße dagegen berichtet worden w...