Entscheidungsstichwort (Thema)

Gebrauchtwagenkauf; Offenbarungspflicht bei Vorschäden

 

Leitsatz (amtlich)

Einen massiven Vorschaden des Fahrzeugs, der durch Diebstahl von wesentlichen Teilen des Fahrzeugs verursacht wurde, muss der Verkäufer auch ungefragt wahrheitsgemäß und vollständig offenbaren, auch wenn das Fahrzeug wieder fachgerecht in Stand gesetzt wurde.

 

Normenkette

BGB §§ 433-434, 437, 444

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Urteil vom 15.11.2010; Aktenzeichen 1 O 435/09)

 

Tenor

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 15.11.2010 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Köln (1 O 435/09) durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweis binnen drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

 

Gründe

I. Die Berufung ist nicht begründet. Die Entscheidung des LG beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zugrunde zu legenden Tatsachen (§§ 529, 531 ZPO) eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).

Das LG hat vielmehr zu Recht entschieden, dass die Klägerin berechtigt war, gem. § 437 Nr. 2 i.V.m. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 sowie i.V.m. §§ 440, 323 und 326 Abs. 5 BGB von dem zwischen den Parteien am 14.8.2009 geschlossenen Kaufvertrag zurückzutreten, und dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 13.774,40 EUR nebst den erstinstanzlich zuerkannten Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des umstrittenen Fahrzeugs sowie die Zahlung vorgerichtlicher Anwalts- und Sachverständigenkosten i.H.v. 1.351,60 EUR zzgl. der erstinstanzlich zuerkannten Zinsen aus § 437 Nr. 2 i.V.m. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 sowie i.V.m. §§ 440, 323, und 326 Abs. 5 sowie 325, 291, 288 BGB zustehen. Auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung, die sich der Senat zu Eigen macht, wird hier zur Vermeidung von Wiederholungen vollinhaltlich Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt eine abweichende Entscheidung nicht.

1. Insbesondere ist das LG zu Recht davon ausgegangen, dass der in der "Fahrzeugbewertung" der XXXX vom 2.7.2009 [Bl. 54/55 d.A.; von der Beklagten mit Schriftsatz vom 14.4.2010 (Bl. 51/52 d.A.) zu den Akten gereicht] festgestellte Diebstahlschaden einen Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB darstellt, dass die Beklagte diesen Schaden der Klägerin gegenüber während der Verkaufverhandlungen so, wie er in der genannten "Fahrzeugbewertung" festgestellt worden ist, hätte offenbaren müssen, und dass nicht festgestellt werden kann, dass die Beklagte dieser Offenbarungspflicht nachgekommen ist:

a) Ein Mangel i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn die Sache nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten durfte. Davon ist hier auszugehen. Denn bei Gebrauchtfahrzeugen muss der Käufer im Allgemeinen lediglich damit rechnen, dass das fragliche Fahrzeug dem Alter und der Laufleistung entsprechende Abnutzungserscheinungen und Gebrauchsspuren aufweist. Ferner muss er damit rechnen, dass es an dem fraglichen Fahrzeug zu Bagatellschäden gekommen sein kann, die für ihn nach Beseitigung keinerlei Bedeutung mehr haben und insbesondere bei vernünftiger Betrachtungsweise den Kaufentschluss nicht beeinflussen können [vgl. hierzu etwa: BGH, NJW 2008, 53, Juris-Rz. 20]. Dabei ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Grenze für Bagatellschäden sehr eng zu ziehen [BGH, a.a.O., Juris-Rz. 20]. Dass Schäden der hier in Rede stehenden Art nicht als Bagatellschäden in diesem Sinne bewertet werden können, kann ernstlich nicht bezweifelt werden. Denn unstreitig sind bei dem Diebstahl die Tür rechts und die Seitenwand rechts mit Innenteil extrem deformiert und aufgebogen, die Türverkleidung mit allen Anbauteilen, beide Airbags, das Steuergerät, der Bedienteil der Klimaautomatik, das Navigationsgerät, das Handschuhfach, die Luftdüsen, der Bedienteil des Schiebedaches, der Sitz vorne rechts komplett und die Sitzbank hinten entwendet sowie die Kabelbäume A-Brett und Hauptkabelbaum zerschnitten worden [vgl. hierzu auch die unstreitigen Feststellungen in der "Fahrzeugbewertung" der XXXX vom 2.7.2009 (Bl. 54 f., 55 d.A.)]. Es liegt auf der Hand, dass bei derartig gravierenden Schäden auch nach einer Reparatur mit Originalteilen in ähnlicher Weise wie bei Schäden infolge eines Unfalls der Verdacht aufkommt, dass verborgene Mängel verblieben oder zumindest eine erhöhte Fehler- und Reparaturanfälligkeit vorliegen könnten, dass eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb eines derartig geschädigten Fahrzeugs besteht, und dass diese Wertdifferenz ähnlich wie der merkantile Minderwert bei Unfallfahrzeugen einen unmittelbaren Sachmangel darstellt [vgl. hierzu etwa; BGHZ 181, 170, Juris-Rz. 16, sowie BGHZ 161, 151, Juris-Rz. 16].

Aus den zutreffenden, von der Beklagten nicht mit Substanz angegriffenen und nicht zuletzt deshalb nicht ergänzungsbedürftigen Gründen vo...

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