Leitsatz (amtlich)
1. Eine Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen kann auch dann wirksamsein, wenn das Amtsgericht statt von Tatmehrheit unrichtig von Tateinheitausgegangen ist.
2. Ein Verstoß gegen die Sofortmeldepflicht aus § 28a Abs. 4 SGB IV und dieBeschäftigung eines Ausländers ohne erforderlichen Aufenthaltstitel (§ 4 Abs. 3AufenthaltsG) stehen (jedenfalls) materiell-rechtlich zueinander im Verhältnis derTatmehrheit.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit seine Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Aachen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Durch Bußgeldbescheide des Hauptzollamts Aachen jeweils vom 29. April 2016 sind gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Beschäftigung eines ausländischen Arbeitnehmers ohne zur Erwerbstätigkeit berechtigenden Aufenthaltstitel sowie wegen leichtfertiger Nichtmeldung eines Beschäftigten vor Arbeitsaufnahme Geldbußen i.H.v. 7.500,-- € und 1.000,-- € verhängt worden.
Seine hiergegen gerichteten Einsprüche hat der Betroffene im Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht auf die Rechtsfolgen beschränkt.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen daraufhin mit der angefochtenen Entscheidung wegen fahrlässiger Beschäftigung eines Ausländers und Erwerbserlaubnis in Tateinheit mit einem leichtfertigen Verstoß gegen die Meldepflicht gemäß § 28a Abs. 4 SGB IV zu der Geldbuße von 1.000,-- € verurteilt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die von der Generalstaatsanwaltschaft vertreten wird. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet die Annahme von Tateinheit durch das Tatgericht.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde begegnet hinsichtlich ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen keinen Bedenken. Sie hat auch in der Sache (vorläufigen) Erfolg, indem sie gemäß §§ 353 StPO, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht (§ 79 Abs. 6 OWiG) führt.
1.
Die Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen war - was der Senat auf die Sachrüge von Amts wegen zu überprüfen hat - wirksam.
Die dem Rechtsmittelberechtigten in § 67 Abs. 2 OWiG eingeräumte Verfügungsmacht über den Umfang der Anfechtung gebietet es, den in Rechtsmittelerklärungen zum Ausdruck kommenden Gestaltungswillen im Rahmen des rechtlichen Möglichen zu respektieren. Das Rechtsmittelgericht kann und darf daher regelmäßig diejenigen Entscheidungsteile nicht nachprüfen, deren Nachprüfung von keiner Seite begehrt wird (BGHSt 47, 32 [38]). Wirksam ist die Beschränkung, wenn der Beschwerdepunkt nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von dem nicht angefochtenen Teil rechtlich und tatsächlich selbständig geprüft und beurteilt werden kann, ohne dass eine Überprüfung der Entscheidung im Übrigen erforderlich ist, und wenn die nach dem Teilrechtsmittel stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleibt (BGHSt 47, 32 [35]; BGH NStZ-RR 2003, 18; SenE v. 28.10.2003 - Ss 464/03 -; SenE v. 24.05.2016 - III-1 RVs 83/16; OLG Rostock VRS 101, 380 [383] = NZV 2002, 137). Hiervon ausgehend war die erklärte Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen wirksam und ist von der Tatrichterin mit Recht so behandelt worden:
Die Feststellungen in den Bußgeldbescheiden lassen den Unrechts- und Schuldgehalt der geahndeten Taten hinreichend erkennen und bieten so eine genügend sichere Grundlage für die Rechtsfolgenbemessung (dazu vgl. OLG Hamm VRS 99, 220 = zfs 2000, 416 = VM 2001, 4; OLG Jena DAR 2001, 323; OLG Jena VRS 109, 60 [51]; KG VRS 102, 296 = NZV 2002, 466; OLG Zweibrücken VRS 118, 25 [26]).
Die Wirksamkeit der erklärten Beschränkung wird namentlich nicht dadurch infrage gestellt, dass - wie zu zeigen sein wird - das Amtsgericht fälschlich von Tateinheit ausgegangen ist, wohingegen sich die Handlungen des Betroffenen bei zutreffender rechtlicher Betrachtung als tatmehrheitlich begangen darstellen. In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass eine fehlerhafte Subsumtion die Wirksamkeit der erklärten Rechtsmittelbeschränkung nicht in jedem Falle infrage stellt (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Auflage 2017, § 318 Rz. 17a m. w. N.). Das gilt hinsichtlich der Konkurrenzverhältnisse namentlich für die unzutreffende Annahme von Tatmehrheit durch die Vorinstanz (SenE v. 27.12.2005 - 83 Ss 72/05 -; BayObLG NStZ 1988, 570; OLG Naumburg StraFo 2012, 285 = StV 2012, 734; Graf-Eschelbach, StPO, 2. Auflage 2012, § 318 Rz. 18). Für die hier in Rede stehende umgekehrte Konstellation kann im Ergebnis nichts anderes gelten. Bei unzutreffender Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse entstehen in dem Falle, dass aufgrund der erklärten Beschränkung der Schuldspruch in Rechtskraft erwächst, stets - auch im Strafverfahren - "Reibungen" (Formulierung von KK-OWiG-Ellbogen, 4. Auflage 2014, § 67 Rz. 60) zwischen Tatbestands- und Rechtsfolgenseite des Tenors. Diese sind hier nur ...