Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert bei Klage auf Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde

 

Leitsatz (amtlich)

Der Gegenstandswert der Klage auf Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde ist nicht ohne weiteres mit dem Wert der dieser zugrunde liegenden Forderung identisch, sondern ist zu schätzen. Maßgebend ist das Interesse des Klägers an dem Besitz der Urkunde. Das Interesse an dem Besitz der Bürgschaftsurkunde kann im Vergleich zu der zu sichernden Forderung geringer sein, was insbesondere dann der Fall ist, wenn die Hauptforderung erloschen ist und es nur darum geht, eine missbräuchliche Benutzung der Bürgschaftsurkunde zu verhindern. Dieses Interesse kann mit 20 % bis 30 % der verbrieften Forderung angesetzt werde. Der volle Forderungsbetrag entspricht dem Interesse des Klägers, wenn die volle Inanspruchnahme des Klägers verhindert werden soll. Ein geringes Risiko des Missbrauchs der Inanspruchnahme kann einen weiteren Abschlag rechtfertigen.

 

Normenkette

ZPO §§ 3, 91a; GKG § 48; BGB § 648a

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 04.07.2012; Aktenzeichen 85 O 6/12)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Beschluss der 5. Kammer für Handelssachen des LG Köln vom 4.7.2012 - 85 O 6/12 - in seiner Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 1.2.2012 - teilweise abgeändert und der Streitwert bis zum 19.6.2012 auf 100.000 EUR und ab dem 20.6.2012 auf die bis dahin entstandenen Kosten des Rechtsstreits nach diesem Streitwert festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die gem. §§ 68 Abs. 1, 63 Abs. 3 GKG, 32 RVG zulässige Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist teilweise begründet. Insofern war der Beschluss des LG zur Streitwertfestsetzung vom 4.7.2012 teilweise abzuändern und im Übrigen die Beschwerde zurückzuweisen.

Mit der Klage hat die Klägerin begehrt, die Beklagte zur Herausgabe einer näher bezeichneten Bürgschaft der L über 2.306.795,80 EUR Zug um Zug gegen Gestellung einer Sicherheit nach § 648a BGB i.H.v. 333.395,77 EUR zu verurteilen. Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten eine Bürgschaft über 393.149,42 EUR vor Eintritt in die mündliche Verhandlung überreicht hatte, haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 20.6.2012 übereinstimmend den Rechtsstreit für erledigt erklärt und wechselseitig Kostenanträge gestellt. Das LG hat mit Beschluss vom 4.7.2012 die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt und den Streitwert auf 10.000 EUR festsetzt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, mit der sie eine Festsetzung des Streitwerts auf 1.986.804,19 EUR begehren.

Die Streitwertfestsetzung war abzuändern. Mit übereinstimmender Erledigung des Rechtsstreits beschränkt sich die Höhe des Streitwerts auf das Kosteninteresse, da die Parteien nur noch um die Kosten des Rechtsstreits streiten. Bis zur übereinstimmenden Erledigungserklärung richtet sich vorliegend die Streitwertbemessung gem. §§ 48 GKG, 3 ZPO nach freiem Ermessen des Gerichts. Der Gegenstandswert der Klage auf Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde ist nicht ohne weiteres mit dem Wert der dieser zugrunde liegenden Forderung identisch, sondern ist nach § 3 ZPO zu schätzen. Maßgebend ist das Interesse des Klägers an dem Besitz der Urkunde (vgl. BGH NJW-RR 1994, 758; OLG Köln Beschl. v. 11.9.1996 - 19 W 46/96, NJW-RR 1997, 381). Das Interesse an dem Besitz der Bürgschaftsurkunde kann im Vergleich zu der zu sichernden Forderung geringer sein, was insbesondere dann der Fall ist, wenn die Hauptforderung erloschen ist und es nur darum geht, eine missbräuchliche Benutzung der Bürgschaftsurkunde zu verhindern (BGH, a.a.O.). Dieses Interesse kann mit 20 % bis 30 % der verbrieften Forderung angesetzt werden (Senat, a.a.O.). Der volle Forderungsbetrag entspricht dem Interesse des Klägers, wenn die volle Inanspruchnahme des Klägers verhindert werden soll (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 3 Rz. 16 Stichwort "Bürgschaft" m.w.N.). Teilweise wird eine Pauschalierung abgelehnt und auf das Risiko des Missbrauchs der Inanspruchnahme abgestellt und für diesen Fall unter Umständen nur 3 % des Forderungsbetrages zugrunde gelegt (vgl. OLG Köln MDR 1994, 101).

Nach diesem Maßstab ist das Interesse der Klägerin zu bestimmen. Dieses liegt hier darin, nur noch in reduziertem Umfang aus der Bürgschaft in Anspruch genommen zu werden. Mit einer Inanspruchnahme aus der Bürgschaft in Höhe der ursprünglichen Bürgschaftsforderung war bereits nach dem Vortrag der Klägerin nicht mehr zu rechnen, da die Beklagte ausweislich der Klagebegründung bereits Schlussrechnung über einen Betrag von 333.395,77 EUR erstellt hatte. Es ist von der Klägerin nicht dargelegt worden und auch ansonsten nicht erkennbar, dass bis auf das Risiko einer missbräuchlichen Inanspruchnahme mit einer Forderung aus der Bürgschaft über diesen Betrag hinaus, jedenfalls nicht über e...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?