Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Begründung der Rechtsbeschwerde im Bußgeldverfahren. Verhängung eines Regelfahrverbots
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine im Rechtsbeschwerdeverfahren erhobene Verfahrensrüge der Verletzung der §§ 71 OWiG, 261 StPO durch Verwertung nicht in die Hauptverhandlung eingeführter Beweisunterlagen ist unzulässig, wenn das Rechtsbeschwerdegericht nicht in die Lage versetzt wird, allein anhand des Vortrages in der Rechtsbeschwerdebegründung und ohne Rückgriff auf die Akte zu überprüfen, ob der gerügte Verfahrensfehler vorliegt.
2. Die Verhängung eines Regelfahrverbots wegen einer innerörtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung ist rechtsfehlerfrei, wenn sich aus den Urteilsgründen ergibt, dass die mit der Geschwindigkeitsüberschreitung verbundene abstrakte Verkehrsgefährdung angesichts der besonderen Tatortbeschaffenheit unbeschränkt fortbestand.
Verfahrensgang
AG Bonn (Entscheidung vom 19.11.2002) |
Gründe
I. Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaften um 31 km/h zu einer Geldbuße von 100 EUR verurteilt und ihm gemäß § 25 StVG für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Es hat festgestellt, dass der Betroffene aufgrund von Fahrlässigkeit am 4. November 2002 um 1.20 Uhr als Führer des Pkw xx-x 222 den in C. innerorts gelegenen H. Straßentunnel trotz örtlich durch Zeichen 274 (§ 41 Abs. 2 Nr. 7 StVO) angeordneter Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h mit einer Geschwindigkeit von 81 Km/h befahren hat.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde. Er beantragt, das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Zur Begründung rügt er die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt ebenfalls die Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie die Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Bonn.
II. Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde begegnet auch hinsichtlich ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen im übrigen keinen Bedenken. In der Sache erweist sie sich indessen als unbegründet.
Die Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Begründung des Rechtsmittels deckt Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht auf.
1. Die von dem Betroffenen erhobene Verfahrensrüge der Verletzung der §§ 71 OWiG, 261 StPO stellt sich als unzulässig dar, weil sie nicht den formalen Anforderungen der §§ 79 Abs. 3 Satz 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gerecht wird. Denn dem Beschwerdegericht ist es nicht möglich, allein anhand des Vortrages in der Rechtsbeschwerdebegründung und ohne Rückgriff auf die Akte zu überprüfen, ob der gerügte Verfahrensfehler vorliegt, sofern das Antragsvorbringen zutrifft (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 2 [Sander]; BGH NStZ-RR 2003, 34 [Sander]; BayObLG NJW 1998, 3656; SenE v. 24. 10. 2000 - Ss 329/00 = VRS 99, 431 [437] = StraFo 2001, 200 [203]; SenE v. 9. 1. 2001 - Ss 477/00 = VRS 100, 123 [125] = VerkMItt 2001, 52; SenE v. 4. 2. 2003 - Ss 4/03 Z; Bick JA 2001, 691 m. w. N.).
Der Betroffene rügt, das Amtsgericht habe gegen die Bestimmung der §§ 71 OWiG, 261 StPO verstoßen, indem es Feststellungen getroffen habe, welche es nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft habe. Er trägt hierzu vor, das Amtsgericht beziehe sich im Rahmen seiner Beweiswürdigung auf mehrere Urkunden, namentlich den Anhörungsbogen Bl. 10 d. A., die Eichunterlagen Bl. 19 ff. und den Verteidigerschriftsatz vom 15. November 2002 = Bl. 42 d. A., welche es weder durch Verlesen (§§ 71 OWiG, 249 StPO) noch im Wege des Vorhaltes in die Hauptverhandlung eingeführt habe.
Anhand dieses Vorbringens kann der Senat nicht ohne Rückgriff auf die Akten nachvollziehen, ob der gerügte Verstoß gegen §§ 71 OWiG, 261 StPO tatsächlich vorliegt. Denn die Rechtsbeschwerdebegründung enthält keine Ausführungen dazu, ob die fraglichen Urkunden gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 OWiG durch Bekanntgabe ihres wesentlichen Inhalts prozessordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind (vgl. SenE v. 19. 9. 1997 - Ss 433/97 = NStZ-RR 1997, 367 [368] = StV 1998, 364; Gollwitzer in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 261 Rdnr. 185; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 261 Rdnr. 38a; Bick aaO., S. 695 f.).
2. Die von dem Betroffenen in zulässiger Form erhobene Sachrüge (§§ 79 Abs. 3 Satz 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO) erweist sich als nicht begründet.
Denn die Überprüfung des angefochtenen Urteils in materiell-rechtlicher Hinsicht deckt keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf.
a) Dies gilt zunächst für den Schuldspruch, der in den rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellung des Amtsgerichts eine tragfähige Grundlage findet. Insbesondere waren im Rahmen der Beweiswürdigung keine weiteren Ausführungen geboten, weil der Betroffen...