Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässige Nutzungsänderung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Nutzung von Sondereigentum zu anderen Zwecken als der in der Teilungserklärung ausgewiesenen Wohnnutzung ist nur zulässig, wenn bei typisierender Betrachtungsweise die geänderte, gewerbliche Nutzung nicht über das Maß hinausgeht, das bei Wohnzwecken üblich ist.

Die gewerbliche Nutzung von kleinen Wohneinheiten für eine private Arbeitvermittlung oder eine Schülernachhilfe beeinträchtigt regelmäßig stärker als eine Wohnnutzung.

 

Normenkette

WEG § 15

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 29.12.2006; Aktenzeichen 29 T 243/05)

 

Tenor

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des LG Köln vom 29.12.2006 - 29 T 243/05 - abgeändert und neu gefasst:

Die Antragsgegnerin wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung verpflichtet, die Nutzung der Wohnungen in der G Straße 7 in L im 1. Obergeschoss durch Vermietung an eine private Schülernachhilfe und im 2. Obergeschoss durch Vermietung an eine Zeitarbeitsvermittlung zu unterlassen, bzw. eine solche Nutzung durch Dritte nicht zuzulassen.

Der weitergehende Antrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten sämtlicher Instanzen fallen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin je zur Hälfte zur Last. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin und nunmehr der beigetretene Beschwerdeführer als Rechtsnachfolger der Antragsgegnerin zu 1. bilden die oben genannte Wohnungseigentümergemeinschaft.

Nach der Teilungserklärung von 1975, die für die Stockwerke 2 bis 4 Sondereigentum an Wohnungen vorsieht, sind die Wohnungs- und Teileigentümer berechtigt, die Wohnung nach Belieben zu nutzen, soweit sich nicht Beschränkungen aus dem Gesetz oder aus der Teilungserklärung ergeben. Die Antragstellerin wendet sich gegen die gewerbliche Nutzung sämtlicher Wohnungen der Antragsgegnerin im 1. bis 4. Obergeschoss. Die Wohnungen im 1. und 2. Stock waren bis 1998 oder 1999 an zwei Ärztinnen vermietet; seitdem wird die Wohnung im 2. Stock von einer Zeitarbeitsvermittlung, diejenige des 1. Stocks wurde von einer Heilprakterin, nun - nach einem Wechsel im Verlauf dieses Verfahrens - befindet sich darin eine private Schülernachhilfe. Zu der Nutzung des 3. und 4. Obergeschosses haben die Vorinstanzen keine Feststellungen getroffen. In den der Antragstellerin gehörenden Erdgeschossräumen wird ein Imbiß betrieben; über die Zulässigkeit dieser Nutzung haben die Beteiligten über lange Jahre gerichtlich gestritten. Der Eingang zu den Wohnungen ist getrennt vom Zugang zum Imbiß und befindet sich neben diesem.

Das AG hat dem Antrag der Antragstellerin auf Untersagung jeder gewerblichen oder freiberuflichen Nutzung stattgegeben. Das LG hat auf das Rechtsmittel der Antragsgegnerin unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung den Antrag zurückgewiesen. Mit ihrer weiteren Rechtsmittel begehrt die Antragstellerin Wiederherstellung der Entscheidung des AG.

II. Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 20, 22 Abs. 1, 27, 29 FGG).

Eine mündliche Verhandlung war entgegen dem Antrag der Antragstellerin nicht veranlasst, da der Sachverhalt in den Vorinstanzen ausreichend aufgeklärt war, es nur um Rechtsfragen geht und im Übrigen eine gütliche Einigung nicht zu erwarten war.

Die weitere Beschwerde hat in der Sache insoweit Erfolg, als sie die derzeitige Nutzung der Räumlichkeiten im 1. und 2. Obergeschoss angreift.

Die Ausführungen des LG halten der dem Gericht der weiteren Beschwerde allein möglichen rechtlichen Nachprüfung (§ 27 FGG, § 550 ZPO) nur zum Teil stand.

Der Antragstellerin steht gem. § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 BGB gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch auf Unterlassung zu, ihre im Sondereigentum stehenden Räume zum Zweck des Betreibens einer Arbeitsvermittlung oder einer Schülernachhilfe zu nutzen bzw. eine entsprechende Nutzung zuzulassen. Zutreffend ist das LG davon ausgegangen, dass maßgeblich für den geltend gemachten Anspruch der Inhalt der Teilungserklärung ist. Diese bezeichnet die Räumlichkeiten im 1. bis 4. Obergeschoss ausschließlich als "Wohnung" und grenzt sie deutlich ggü. den im Teileigentum stehenden Räumen des Erdgeschosses ab, die als "nicht zu Wohnzwecken dienend" bezeichnet werden (§ 1 Nr. 1 bis 5 Teilungserklärung).

Die Teilungserklärung unterliegt wie alle Grundbucheintragungen der selbständigen Auslegung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Der Senat sieht in der Bezeichnung als Wohnung eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter gem. §§ 5 Abs. 4, 10 Abs. 1 Satz 2, 15 Abs. 1 WEG, die eine Nutzung des Sondereigentums der Antragsgegnerin in der derzeitigen Form nicht zulässt. Die auf Wortlaut und Sinn abgestellte Auslegung führt zweifelsfrei dazu, dass die Räumlichkeiten in den ersten beiden Stockwerken grundsätzlich nur für Wohnzwecke genutzt werden dürfen.

Etwas ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?