Entscheidungsstichwort (Thema)
Lagerungsschaden - nicht automatisch voll beherrschbarer Risikobereich
Leitsatz (amtlich)
Die Lagerung eines Patienten stellt nicht automatisch einen voll beherrschbaren Risikobereich dar und rechtfertigt eine entsprechende Beweislastumkehr nur dann, wenn feststeht, dass die Lagerung auch tatsächlich voll beherrschbar war. Das ist nicht der Fall bei einer Lagerung des Kopfes während einer lang andauernden Operation, bei der der Kopf unter Operationstüchern verborgen ist.
Normenkette
BGB §§ 249, 280, 611, 823
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 02.10.2012; Aktenzeichen 25 O 35/11) |
Tenor
1. Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 2.10.2012 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des LG Köln - 25 O 35/11 - gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
2. Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
Die Berufung der Klägerin hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil nach den gem. § 529 Abs. 1 ZPO maßgeblichen Feststellungen der Klägerin keine Ansprüche aus der streitigen Behandlung gegen den Beklagten zustehen. Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 und 2 ZPO).
1. Das LG hat die Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf die Frage einer schadensursächlichen falschen Lagerung der Klägerin nicht verkannt. Richtig ist, dass die Rechtsprechung (vor allem bei zeitlich weiter zurück liegenden Entscheidungen) die Grundsätze des voll beherrschbaren Risikobereichs, wonach eine objektive Pflichtverletzung und ein Verschulden des Behandlers vermutet werden, wenn ein Schaden aus einem Bereich stammt, dessen Risiken durch Anwendung der gebotenen Sorgfalt in vollem Umfang beherrschbar sind, auch auf Fälle von Lagerungsschäden angewandt hat (vgl. etwa BGH NJW 1984, 1408; BGH NJW 1995, 1618; und viele weitere, auch OLG Köln VersR 1991, 695; jüngst OLG Jena OLGReport Jena 2007, 677 ff.). Dem zugrunde liegt die medizinische Grundannahme, dass bei technisch richtiger Lagerung des Patienten auf dem Operationstisch, die Beachtung der dabei einzuhaltenden Regeln und die Kontrolle der Lagerung durch die operierenden Ärzte es sich um Maßnahmen handelt, die "voll beherrschbar" sind. Das ist indes keineswegs automatisch und für jede Form von lagerungsbedingter Schädigung der Fall. Insbesondere Drucknekrosen sind sehr häufig auch durch Anwendung größtmöglicher Sorgfalt nicht zu vermeiden, wie dem Senat aus einer Vielzahl vergleichbarer Fälle bekannt ist. Demnach gilt, dass ein Lagerungsschaden eine Umkehr der Beweislast nur dann rechtfertigt, wenn es sich um eine vollständig beherrschbare Komplikation handelt, deren Entstehung zwingend auf einen Behandlungsfehler hinweist (OLG Oldenburg VersR 1995, 1194 f.).
Im vorliegenden Fall kann von einem voll beherrschbaren Risikobereich aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. D allerdings nicht ausgegangen werden. Er hat im Rahmen seines schriftlichen Gutachtens von einer Komplikation gesprochen, die sich verwirklicht habe, und einen Behandlungsfehler verneint. Die Lagerung des Kopfes auf einem Kopfring mit Gelkissen entspreche fachärztlichem Standard, wobei allerdings diese Art der Lagerung etwas komplikationsträchtiger sei als die Lagerung mittels Mayfieldklemme. Im Rahmen der mündlichen Anhörung hat er weiter erläutert, dass auch bei ordnungsgemäßer Lagerung und Fixierung des Kopfes eine gewisse Beweglichkeit des Kopfes unvermeidbar sei, insbesondere bei länger andauernden Operationen, wie im vorliegenden Fall, was die (absolut gesehen sehr geringe) Gefahr einer Druckschädigung erhöhe. Zu berücksichtigen sei auch, dass eine permanente Kontrolle der Lagerung, anders als bei anderen Operationen, nur sehr eingeschränkt möglich sei, da der Kopf unter den Operationstüchern verborgen sei und die Kontrolle damit im sterilen Bereich zu erfolgen habe. Der Sachverständige hat klar und deutlich im Ergebnis ausgeführt, dass ein Lagerungsschaden, wie er sich bei der Klägerin verwirklicht habe, bei der hier vorliegenden Operation nicht sicher auszuschließen sei und ein Restrisiko verbleibe.
Diese Ausführungen des Sachverständigen sind auch aus Sicht des Senats in jeder Hinsicht überzeugend. Sie werden gestützt durch die Annahme, dass die Klägerin ausweislich des von ihr unterschriebenen Aufklärungsbogens ausdrücklich auf das Risiko eines Lagerungsschadens hingewiesen wurde, was nicht verständlich wäre, wenn bei standardgerechtem Vorgehen jedwedes Risiko sicher auszuschließen gewesen wäre. Sie werden nicht entscheidend erschüttert durch die Ausführungen der weiteren Gutachter, auf die sich die Klägerin stützt. So setzt sich das für den medizinischen Dienst der Krankenkassen erstattete...