Verfahrensgang

AG Bergheim (Beschluss vom 14.01.1999; Aktenzeichen 61 F 276/98)

 

Tenor

Die befristete Beschwerde des Verfahrenspflegers des betroffenen Kindes vom 20. Januar 1999 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bergheim vom 14. Januar 1999 (61 F 276/93) wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde ist gebührenfrei; eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

 

Gründe

Das Familiengericht hat durch den im Tenor näher bezeichneten Beschluss – auf den wegen aller Einzelheiten in vollem Umfang Bezug genommen wird – „in Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Köln vom 22. Juni 1998 – 6 T 124/98 – das elterliche Sorgerecht betreffend das beteiligte Kind hinsichtlich der Aufenthaltsbestimmung, der Gesundheitsfürsorge sowie der Mitwirkung bei der Auswahl der Pflegefamilie auf die Antragstellerin zurückübertragen”.

Dieser Teil der elterlichen Sorge war damals der Kindesmutter entzogen und dem Jugendamt Bergheim als Pfleger übertragen worden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Verfahrenspflegers, die gemäß den §§ 621 a, 516, 519 ZPO i.V.m. Art. 15 § 1 Abs. 2 S. 3 KindRG zulässig ist; der Verfahrenspfleger ist zur Einlegung des Rechtsmittels befugt.

In der Sache selbst hat die Beschwerde, auf deren pauschale Begründung verwiesen wird, indessen keinen Erfolg.

Sie richtet sich inhaltlich „ausschließlich gegen die Rechtsansicht des Amtsgerichts, dass die Mitgliedschaft der Eheleute … zur Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas nicht als Gefährdung des Kindeswohls angesehen werden kann”.

Die Entscheidung des Familiengerichts ist aufgrund des derzeitigen Erkenntnisstandes im Ergebnis nicht zu beanstanden. Eine gegenwärtige Gefahr und/oder künftige Gefährdung für das Wohl des Kindes, die ein anderes Ergebnis begründen und rechtfertigen würde, ist weder konkret vorgetragen worden noch aus dem weiteren Akteninhalt ersichtlich.

Der Senat sieht deshalb im Einklang mit dem Familiengericht keine Veranlassung, die vom Verfahrenspfleger in Zweifel gezogene Erziehungseignung der Pflegeeltern zu verneinen.

Allein durch die Zugehörigkeit der Pflegeeltern zu der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas wird nicht zwingend indiziert, dass diesen generell die Erziehungsfähigkeit fehlt. Eine Entscheidung, die ungeachtet möglicher Gegenargumente im Wesentlichen allein auf einer unterschiedlichen Religionszugehörigkeit als solcher beruht, kann schon vom Grundsatz her nicht akzeptiert werden (EuGH – LS – FamRZ 1994, 1275).

Ob die Erziehungseignung im Sinne des § 1 Abs. 1 SGB VIII deshalb in Frage gestellt wird, bedarf einer konkreten Einzelfallprüfung; insbesondere ist, zumindest vom Ansatz her gesehen nachvollziehbar, darzulegen, inwieweit die Grundsätze der Zeugen Jehovas von den Pflegeeltern im vorliegenden Fall nachdrücklich angewandt werden und die Kindererziehung somit negativ beeinflussen (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 3. Aufl., § 1671 Rn. 59 m.w.N.).

Daß (selbst) die (engagierte) Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas für sich allein jedoch nicht ausreicht, eine Erziehungsunfähigkeit zu konstatieren, entspricht der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung (vgl. OLG Stuttgart FamRZ 1995, 1290 f.; OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 1511 f.; OLG Saarbrücken FamRZ 1996, 561; OLG Hamburg FamRZ 1996, 684 m. Anm. Garbe).

Soweit die Religionslehre der Zeugen Jehovas (notwendig) Einfluss auf die Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes nimmt oder zu nehmen geeignet ist (vgl. dazu etwa OLG Frankfurt FamRZ 1994, 920 f.), muss es dennoch dem Einzelfall überlassen bleiben, ob dadurch das Kindeswohl tatsächlich beeinträchtigt ist und wird. Denn sonst würde man sich über die besondere Schutzwürdigkeit des zu betreuenden und erziehenden Kindes hinwegsetzen.

Für das Kind … können derzeit das Kindeswohl insoweit beeinträchtigende Faktoren und Umstände nicht festgestellt werden.

Es ist in diesem Zusammenhang auch nicht dargelegt worden und ersichtlich, dass die Pflegeeltern das Kind etwa zu einer unreflektierten und intoleranten Haltung gegenüber anderen Glaubensrichtungen erziehen oder auf andere dem Kindeswohl widersprechende Weise in eine starke Abhängigkeit von ihrer Glaubensgemeinschaft bringen werden oder wollen.

Die vorliegende Senatsentscheidung bedeutet allerdings für die Pflegeeltern keinen erzieherischen „Freibrief” (so Grabe, a.a.O.). Liegen nämlich konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der von ihnen praktizierte Erziehungsstil den wohlverstandenen Interessen des Kindes relevant zuwiderläuft, müßte ihre Erziehungseignung in der Tat neu überprüft werden, und zwar gegebenenfalls ebenso wie die ungeteilte elterliche Sorge zu Gunsten der Kindesmutter im Hinblick auf die Mitwirkung bei der Auswahl der Pflegefamilie. Aber auch in diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass allgemein gehaltene Floskeln, das Kind würde im Rahmen der von den Pflegeeltern vorgelebten Religionslehre (u.a.) in eine Außenseiterrolle gedrängt, nicht ausreichen, um sogleich von einer akuten Beeinträchtigung oder gar Gefährdu...

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