Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Sittenwidrigkeit des Ehevertrags trotz umfassendem Ausschluss der gesetzlichen Scheidungsfolgen

 

Leitsatz (amtlich)

Der wechselseitige vollständige Verzicht auf nachehelichen Unterhalt und die Durchführung des Versorgungsausgleichs in einem notariell beurkundeten Ehevertrag zwingt nicht notwendig zu der Annahme seiner Nichtigkeit. Denn es gehört grundsätzlich zum Recht der Ehegatten, ihre Lebensgemeinschaft eigenverantwortlich und frei von gesetzlichen Vorgaben entsprechend ihren individuellen Vorstellungen und Bedürfnissen zu gestalten.

Es ist Aufgabe des Tatrichters aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob die Vereinbarung über den Ausschluss des Versorgungsausgleiches allein oder im Zusammenhang mit den übrigen ehevertraglichen Regelungen schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führte, dass ihr - und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen zu treten haben.

Bestand bei Abschluss des Ehevertrages keine Zwangslage für die Antragstellerin und standen sich die Eheleute gleichberechtigt quasi "in Augenhöhe" gegenüber, spricht zunächst wenig für eine einseitige ungerechtfertigte Lastenverteilung. Dies gilt insbesondere dann, wenn beide Parteien bei Vertragsschluss voll erwerbstätig waren und davon ausgehen konnten, dass sie auch bei Scheitern der Ehe sich selbst angemessen unterhalten und entsprechende Altersvorsorge betreiben konnten. Gerade im Hinblick auf das neuere Unterhaltsrecht spielt der wechselseitige Verzicht auf nachehelichen Unterhalt ohnehin nur noch eine untergeordnete Rolle.

 

Normenkette

BGB § 138 Abs. 1, §§ 138, 242, 1408 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Beschluss vom 11.06.2010; Aktenzeichen 49 F 157/08)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bonn vom 11.6.2010 - 49 F 157/08 - wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

2. Der Antrag der Antragstellerin, ihr zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird mangels Erfolgsaussicht der Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

1. Die gem. § 621e ZPO (a.F.) zulässige - insbesondere frist- und formgerecht eingelegte - befristete Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Familiengericht den Antrag der Antragstellerin auf Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleiches zurückgewiesen.

Dabei kann dahinstehen, ob mit dem Scheidungsurteil nicht auch bereits rechtskräftig darüber entschieden worden ist, dass der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Denn grundsätzlich ist zwingend im Verbund über Ehescheidung und Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleiches zu entscheiden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Versorgungsausgleichsverfahren abgetrennt wird, weil der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich noch nicht durchgeführt werden kann. So lag vorliegend der Sachverhalt jedoch nicht. Denn im Scheidungstermin haben die Parteien über die Durchführung des Versorgungsausgleiches verhandelt. Im Hinblick auf den zwischen den Parteien geschlossenen Ehevertrag, in welchem der Versorgungsausgleich ausgeschlossen worden war, wurde dieser dann nicht durchgeführt.

Im Ergebnis zu Recht ist auch der Versorgungsausgleich damals nicht durchgeführt worden. Denn entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist der gemäß notarieller Urkunde vom 6.11.1991 zu UR-Nr. 2829/1991 - B - vor dem Notar C. in D. geschlossene notarielle Ehevertrag nicht sittenwidrig. Gemäß diesem notariellen Vertrag haben die Parteien unter Ziff. 1. den Güterstand der Gütertrennung vereinbart. Unter 2. wurde wechselseitig auf jeglichen nachehelichen Unterhalt, auch für den Fall der Not, verzichtet. Schließlich verzichteten die Parteien wechselseitig auf die Durchführung der Versorgungsausgleiches.

Dieser Ehevertrag ist wirksam. Denn es gehört grundsätzlich zum Recht der Ehegatten, ihre Lebensgemeinschaft eigenverantwortlich und frei von gesetzlichen Vorgaben entsprechend ihren individuellen Vorstellungen und Bedürfnissen zu gestalten. Die auf die Scheidungsfolgen bezogene Vertragsfreiheit entspringt insoweit dem legitimen Bedürfnis, Abweichungen von den gesetzlich geregelten Scheidungsfolgen zu vereinbaren, die zu dem individuellen Ehebild der Ehegatten besser passen. So können aus der gemeinsamen Verantwortung der Ehegatten füreinander von vornherein etwa Lebensrisiken eines Partner herausgenommen werden.

Allerdings darf die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Das ist aber nur dann der Fall, wenn durch die Regelung eine evid...

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