Leitsatz (amtlich)
1. Ist ein Privatgutachter hinsichtlich eines unfallgeschädigten PKW zu der Bewertung gelangt, das Fahrzeug sei nur eingeschränkt verkehrssicher, so handelt es sich um einen Umstand, auf den Kaufinteressenten hinzuweisen sind.
2. Der Verkäufer kann seiner Hinweispflicht über einen offenbarungspflichtigen Umstand durch das Überreichen von Unterlagen genügen, wenn er berechtigt erwarten kann, der Kaufinteressent werde diese Unterlagen als Grundlage für seine Kaufentscheidung durchsehen. Von einem Überreichen von Unterlagen ist auch bei Übermittlung in elektronischer Form auszugehen - mit dem bloßen Angebot der Einsichtnahme kommt der Verkäufer seiner Offenbarungspflicht hingegen nicht nach.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, §§ 242, 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 433 Abs. 1, § 434 Abs. 1, §§ 437, 444
Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 8 O 27/15) |
Tenor
1. Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung des Beklagten gegen das am 14.10.2015 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 8 O 27/15 - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Ausführungen in der Berufungsbegründung führen nicht zu einer anderen Beurteilung. Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrundezulegende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).
2. Der Beklagte erhält Gelegenheit, zu dem Hinweis bis zum 1.3.2016 Stellung zu nehmen. Er mag innerhalb der Frist auch mitteilen, ob die Berufung zur Vermeidung weiterer Kosten zurückgenommen wird.
Gründe
Die Berufung hat nach dem derzeitigen Stand der Sach- und Rechtslage offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ZPO). Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO).
Der zulässigen Berufung fehlen die Erfolgsaussichten, weil der Senat die zulässige Klage nach dem derzeitigen Stand der Beratung übereinstimmend mit dem Landgericht als begründet erachtet.
Von einer zur Anfechtung berechtigenden arglistigen Täuschung des Beklagten (§ 123 Abs. 1 BGB) ist auszugehen.
Gegen die Vollständigkeit und Richtigkeit der Tatsachenfeststellung des Landgerichts bestehen keine Bedenken (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Insbesondere hat das Landgericht es richtigerweise unterlassen, bezogen auf die Schilderungen der informell angehörten Parteien eine deren Glaubhaftigkeit und Überzeugungskraft bewertende Beweiswürdigung vorzunehmen.
Eine solche Würdigung war nicht veranlasst, weil sich bereits bei Zugrundelegung der Angaben des persönlich angehörten Beklagten eine Aufklärung über alle offenbarungspflichtigen Umstände nicht feststellen lässt.
Eine arglistige Täuschung in Gestalt des arglistigen Verschweigens begeht, wer sich bewusst ist, dass ein bestimmter Umstand für die Entschließung seines Vertragspartners erheblich ist, wer deshalb nach Treu und Glauben diesen Umstand mitzuteilen verpflichtet ist und ihn nicht offenbart (BGH, Urteil vom 23.5.2002, VII ZR 219/01, BauR 2002, 1401, zitiert nach juris, Rn. 15; Urteil vom 25.10.2007, VII ZR 205/06, zitiert nach juris, Rn. 20).
Zwar besteht im Hinblick auf die Eigenverantwortung jedes Teilnehmers am Rechtsverkehr keine allgemeine Rechtspflicht, den anderen Teil über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die dessen Willensentschließung beeinflussen könnten. Eine Rechtspflicht zur Aufklärung bei Vertragsverhandlungen auch ohne Nachfrage besteht aber dann, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise die Mitteilung von Tatsachen erwarten durfte, die für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind (RGZ 111, 233, 234; BGH, Urteil vom 12.7.2001, IX ZR 360/00, NJW 2001, 3331 zitiert nach juris, Rn. 15; BGH, Urteil vom 11.8.2010, NJW 2010, 3362, zitiert nach juris, Rn. 22). Eine Offenbarungspflicht besteht hiernach insbesondere bei solchen Tatsachen, die den Vertragszweck vereiteln oder erheblich gefährden können (BGH, Urteil vom 11.8.2010, NJW 2010, 3362, zitiert nach juris, Rn. 22)
Bei Verkauf eines unfallgeschädigten Fahrzeugs sind demgemäß nähere Angaben über die Schwere des Unfalls erforderlich, weil davon die Entscheidung des Käufers, ob und ggf. zu welchem Preis er das Fahrzeug kaufen will, abhängig ist (OLG Köln, Urteil vom 2.8.1993, 12 U 26/93, VersR 1994,11, zitiert nach juris, Rn. 4). Auch ist ein ausdrücklicher Hinweis erforderlich, wenn das Fahrzeug infolge von Unfallschäden möglicherweise nicht verkehrssicher ist (OLG Hamm, Urteil vom 9.9.1996, 32 U 70/96, DAR 1996, 499, zitiert nach juris, Rn. 2).
Auf dieser Grundlage teilt der ...