Entscheidungsstichwort (Thema)
Ärztliche Behandlung als Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs
Leitsatz (amtlich)
Eine Mitverpflichtung des mittel- und einkommenslosen Ehegatten für die durch den anderen Ehegatten zugunsten der gemeinsamen Tochter vertraglich begründeten Behandlungskosten (hier: rd. 25.000 EUR für eine stationäre psychiatrische Behandlung) scheidet den Umständen nach aus (§ 1357 I, 2 BGB), wenn der vertragschließende Ehegatte u.a. für die Tochter eine private Krankheitskostenversicherung unterhält und zudem Anspruch auf Beihilfe zu den Behandlungskosten gegen seinen Dienstherrn hat.
Normenkette
BGB § 1357 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Aachen (Beschluss vom 13.12.2006; Aktenzeichen 11 O 375/06) |
Tenor
Der Beschluss der 11. Zivilkammer des LG Aachen vom 13.12.2006 - 11 O 375/06 - wird abgeändert.
Der Antragstellerin wird ratenfreie Prozesskostenhilfe zur Rechtsverteidigung gegen die Klage der Antragsgegnerin unter Beiordnung von Rechtsanwältin C in E bewilligt.
Gründe
Die Rechtsverteidigung der Antragstellerin hat hinreichende Aussicht auf Erfolg, sodass ihr die beantragte Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist (§ 114 ZPO). Zwar hat das LG zutreffend erkannt, dass der Ehemann der Antragstellerin durch den Abschluss des Behandlungsvertrages zugunsten der Tochter der Eheleute ein Geschäft i.S.v. § 1357 Abs. 1 S. 1 BGB besorgt hat. Im Streitfall steht aber eine Mitverpflichtung der Antragstellerin § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB entgegen, weil sich aus den Umständen etwas anderes ergibt. Diese Vorschrift gilt nicht nur, wenn der Ehegatte ein ihn persönlich selbst betreffendes Geschäft besorgt, also etwa einen Vertrag zur eigenen Behandlung schließt. Sie gilt ebenso, wenn er für ein anderes Familienmitglied tätig wird. Dies folgt daraus, dass Satz 2 einschränkungslos an Satz 1 der Vorschrift anknüpft.
In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, dass zu den maßgeblichen Umständen i.S.v. § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie in ihrem Bezug zu der voraussichtlichen Höhe der Kosten für die ärztliche Behandlung gehören (vgl. BGH v. 27.11.1991 - XII ZR 226/90, MDR 1992, 382 = NJW 1992, 909), die wiederum entscheidend davon beeinflusst werden, ob eine private Krankenversicherung besteht und in welchem Umfang sie ggf. Versicherungsschutz gewährleistet. Sind in der Person eines Ehepartners, der dazu auch noch selbst die Verpflichtung begründet hat, sämtliche Voraussetzungen gegeben, die die Erfüllung der Verbindlichkeit gewährleisten, während der andere wirtschaftlich dazu nicht in der Lage wäre, scheidet dessen Mitverpflichtung den Umständen nach aus. So liegt es hier. Der Ehegatte der Antragstellerin ist Versicherungsnehmer einer Krankheitskostenvollversichung, in dessen Schutz die Tochter einbezogen ist. Er ist ferner als Lehrer (Beamter) beihilfeberechtigt und hat gegen seinen Dienstherren einen Anspruch auf Beihilfe zu den Aufwendungen für die Krankheitskosten seiner Tochter. Will der Behandler in einem solchen Fall gleichwohl sicher stellen, dass neben dem Vertragschließenden auch dessen Ehegatte mitverpflichtet wird, muss er dies ausdrücklich vereinbaren.
Fundstellen
Haufe-Index 1727900 |
FamRZ 2007, 1993 |