Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Anscheinsbeweis beim Auftreten eines Spritzenabszesses
Leitsatz (amtlich)
1. Das Auftreten eines Spritzenabszesses im zeitlichen Zusammenhang mit einer verabreichten Injektion begründet nicht den Beweis des ersten Anscheins, dass Hygienestandards nicht eingehalten wurden.
2. Kann aus medizinischer Sicht ein Schmerzmittel intramuskulär durch Injektion oder alternativ intravenös verabreicht werden, ist eine Aufklärung über beide Behandlungsalternativen jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn diese zu keinen wesentlich unterschiedlichen Belastungen des Patienten geführt oder keine wesentlich unterschiedliche Risiken oder Erfolgschancen geboten hätten.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1, § 831 Abs. 1, § 253 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 06.12.2012; Aktenzeichen 25 O 66/11) |
Tenor
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 6.12.2012 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des LG Köln - 25 O 66/11 - gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO).
Gründe
I. Die Berufung hat nach gründlicher Prüfung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht noch nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO).
Das LG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die Klägerin kann von der Beklagten weder Schmerzensgeld noch materiellen Schadensersatz gem. §§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1, 831 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB verlangen, denn ein zu einer Haftung der Beklagten führender Behandlungsfehler liegt unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vor. Auch eine Haftung aus Aufklärungsfehler scheidet aus.
1. a) Zu Recht hat das LG einen Behandlungsfehler wegen Verletzung von Hygienestandards bei der Injektion verneint. Der Sachverständige Prof. Dr. A hat überzeugend ausgeführt, dass bei einer intramuskulären Injektion neben der notwendigen Hautdesinfektion lediglich das Tragen keimarmer Handschuhe empfohlen werde. Einen Mundschutz hat der Sachverständige nicht für erforderlich erachtet. Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass der Zeuge Fischer sich nicht diesen Hygienestandards entsprechend verhalten hat. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der durch das LG festgestellten Tatsachen begründen, werden mit der Berufung nicht vorgebracht. Wie das LG zutreffend ausgeführt hat, begründet das Auftreten eines Spritzenabszesses im zeitlichen Zusammenhang mit einer verabreichten Injektion nicht den Beweis des ersten Anscheins, dass Hygienestandards nicht eingehalten wurden.
b) Ohne Erfolg bleibt auch der erstmals mit der Berufung erhobene Einwand der Klägerin, der Zeuge G habe die Injektion nicht intramuskulär, sondern in das Unterhautgewebe und damit nicht lege artis gesetzt. Der Sachverständige Prof. Dr. A, der sein Gutachten nach Auswertung der den Prozessakten beigefügten Krankenunterlagen, insbesondere der ärztlichen Berichte der Gemeinschaftspraxis für Radiologie und Nuklearmedizin und der dort angefertigten MRT-Aufnahmen erstattet hat, hat im Rahmen seiner mündlichen Anhörung ausdrücklich ausgeführt, die Injektion sei - in Abgrenzung zu einer im Bereich des Iliosacralgelenkes erfolgten Infiltration - intramuskulär erfolgt. Zur Begründung hat er sich auf die von ihm ausgewerteten MRT-Aufnahmen bezogen, die - so seine Ausführungen - eine muskuläre Injektion nahe legten. Die Beurteilung des Sachverständigen ist schlüssig. Soweit die Klägerin demgegenüber aus dem - insoweit unstreitigen - Umstand, dass sich nach den MRT-Aufnahmen der Abszess vorwiegend im Unterhautgewebe gezeigt hat, den Rückschluss zieht, dass die Injektion fehlerhaft in das Unterhautgewebe gesetzt worden sein muss, überzeugt dies nicht. Dass sich der Abszess auch im Unterhauptgewebe dargestellt hat, lässt sich plausibel dadurch erklären, dass die in den Muskel gesetzte Spritze das Unterhautgewebe zwangsläufig durchquert haben muss und auf diesem Wege eine Keimverschleppung von der Haut in das Unterhautgewebe eingetreten sein kann. Dass sich - wie sich aus den Arztberichten der Gemeinschaftspraxis für Radiologie und Nuklearmedizin ergibt - eine ödematöse Veränderung und anschließende Abszedierung zumindest auch im Musculus gluteus maximus links gezeigt hat, spricht im Übrigen für die Annahme, dass die Spritze in das Muskelgewebe eingedrungen ist.
2. Eine Haftung wegen Aufklärungsfehlern hat das LG mit zutreffenden Erwägungen verneint.
a) Die Klägerin rügt zu Unrecht, der Zeuge G habe nicht über die Alternativen einer oralen oder intravenösen Schmerzmittelverabreichung aufgeklärt.
Eine Pflicht zur Aufklärung über die Möglichkeit einer oralen Einnahme von Schmerzmitteln bestand nicht. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. A war die o...