Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwaltsbeiordnung zur Vaterschaftsfeststellung; Prozesskostenhilfe, hier: Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft. Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Aus der Möglichkeit, das Angebot des Jugendamts auf Beratung bei der Vaterschaftsfeststellung anzunehmen und sich durch das Jugendamt als Beistand vertreten zu lassen, ergibt sich nicht, dass eine bedürftige Partei gezwungen ist, dies im Fall des Prozesskostenhilfeantrags auch zu tun.

2. Allein nach den Umständen des Einzelfalls richtet sich bei der Vaterschaftsfeststellung, ob eine Anwaltsbeiordung erforderlich ist.

 

Normenkette

BGB § 1712 Abs. 1 Nr. 1; SGB VIII § 52a; ZPO § 121 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Kerpen (Beschluss vom 29.06.2004; Aktenzeichen 50 F 270/04)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des AG Kerpen vom 29.6.2004 (50 F 270/04) wird in Ergänzung dieses Beschlusses dem Kläger Frau Rechtsanwältin L ohne Anordnung von Ratenzahlungen zur Rechtsverfolgung im ersten Rechtszug beigeordnet.

 

Gründe

Die Beschwerde gegen die Versagung der Beiordnung eines Rechtsanwalts bei gleichzeitiger Gewährung von Prozesskostenhilfe für den gestellten Antrag ist zulässig (§ 127 Abs. 2 ZPO), und auch in der Sache begründet, da die Beiordnung eines Anwalts gem. § 121 ZPO geboten war.

1. Der Kläger ist am 30.10.1993 in Russland geboren und lebt seit September 2001 zusammen mit seiner Mutter in Deutschland. Die Mutter ist der deutschen Sprache nur sehr eingeschränkt mächtig. Der Beklagte, der nicht anwaltlich vertreten ist, hat die Anerkennung der Vaterschaft abgelehnt. Das AG hat dem Kläger Prozesskostenhilfe für die Vaterschaftsfeststellungsklage verbunden mit dem Antrag auf Zahlung des Kindesunterhalts von 100 % der RegelbetragsVO seit Juni 2004 bewilligt, die Beiordnung eines Anwalt aber abgelehnt, da sich der Kläger der Beistandschaft des Jugendamts bedienen könne. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Klägers.

2. Zutreffend ist der Hinweis des AG auf die Möglichkeit der Beistandschaft des Jugendamts nach §§ 1712 ff. BGB, 52a SGB VIII (KJHG). Nach dem Gesetz ist die Beistandschaft aber von einem schriftlichen Antrag eines Elternteils abhängig (§ 1712 BGB), es handelt sich nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 52a SGB VIII nur um ein freiwilliges Hilfsangebot des Jugendamts (H. Schellhorn in Schellhorn, SGB VIII, 2000, § 52a Rz. 5, 6). Nach Auffassung des Senats kann dieses freiwillige Hilfsangebot auch im Fall des Prozesskostenhilfeantrags nicht zu einem verpflichtenden gemacht werden, weil der Antrag an das Jugendamt der einfachere und billigere Weg der Rechtswahrnehmung sei, bei dem eine Anwaltsbeiordnung nicht erforderlich sei. Dem steht die ausdrückliche Freiwilligkeit des Hilfsangebots entgegen. Eine andere Frage ist, ob ein bereits vom Jugendamt vertretenes Kind außerdem einer Anwaltsbeiordnung bedarf (Kalthoener/Büttner/Wrobel/Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Aufl. 2002, Rz. 547 m.w.N.).

3. Ob eine Anwaltsbeiordnung erforderlich ist, richtet sich daher allein nach § 121 Abs. 2 ZPO. Auch im Vaterschaftsfeststellungsverfahren ist nach der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage und den persönlichen Verhältnissen der Partei zu entscheiden, ob eine Anwaltsbeiordnung erforderlich ist. Es kann dahinstehen, ob Vaterschaftsfeststellungssachen und die mit ihnen verbundenen Unterhaltssachen generell rechtlich so diffizil sind, dass eine Anwaltsbeiordnung in der Regel ein Verfassungsgebot ist (so OLG Köln FamRZ 2003, 107, für Sorgerechts- und Unterhaltssachen und wohl auch Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 121 Rz. 6; BGH v. 25.9.2003 - IXa ZB 192/03, FamRZ 2003, 1921 stellt für die Unterhaltsvollstreckung richtiger auf den Einzelfall ab) oder ob wegen der Bedeutung der Vaterschaftsfeststellung in aller Regel ein Anwalt beizuordnen ist (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel/Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Aufl. 2002, Rz. 547 m.w.N.). Im Streitfall hat der Beklagte die Feststellung der Vaterschaft abgelehnt. Unter dieser Voraussetzung ergeben die Sprachschwierigkeiten der gesetzlichen Vertreterin des Kindes und die Tatsache, dass sie erst vor einigen Jahren aus Russland nach Deutschland gekommen ist, zusammen mit dem Umstand, dass wegen der Geburt des Kindes in Russland möglicherweise auch Fragen des internationalen Privatrechts zu klären sind, dass eine Anwaltsbeiordnung erforderlich ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1254384

FamRZ 2005, 530

NJW-RR 2004, 1590

OLGR Köln 2004, 414

FF 2004, 304

ZFE 2004, 381

JWO-FamR 2004, 300

KammerForum 2005, 56

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