Leitsatz (amtlich)
Der Bewährungswiderruf ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil eine Belehrung gemäß §§ 268a, 453a, 454 Abs. 4 StPO unterblieben ist (vgl. Senat 19.06.2007 - 2 Ws 315/07).
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird kostenpflichtig verworfen.
Gründe
Die Generalstaatsanwaltschaft hat zu dem Rechtsmittel folgende Stellungnahme abgegeben:
"I. Der Verurteilte ist durch Urteil des Amtsgerichts D. vom 22.11.2005, rechtskräftig am 01.06.2006, wegen Diebstahls in acht Fällen, der Trunkenheit im Verkehr und des Fahrens ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit einem vorsätzlichen Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz, zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden.
Durch Beschluss vom 25.10.2007, rechtskräftig am 8.11.2007 hatte das Landgericht E. die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen, nachdem der Verurteilte innerhalb der Bewährungszeit erneut straffällig geworden und deshalb durch Urteil des Amtsgerichts D. vom 18.01.2007 wegen Diebstahls in zwanzig Fällen zu einer vollstreckbaren Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt worden war. Mit Beschluss vom 26.11.2007 hatte das Amtsgericht D. jedoch der Zurückstellung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 22.11.2005 gemäß § 35 BtMG zugestimmt. Daraufhin hatte die Staatsanwaltschaft E. durch Verfügung vom 10.12.2007 die Vollstreckung der Strafe zurückgestellt.
Nachdem der Verurteilte die Therapie nach seiner Entlassung aus der JVA jedoch nicht angetreten hatte und am 23.01.2008 erneut festgenommen worden war, stimmte das Amtsgericht D. nach teilweiser Vollstreckung der Strafe einer erneuten Zurückstellung gemäß § 35 BtMG durch Beschluss vom 5.02.2009 zu und beschloss zugleich, dass die Zeit des Aufenthaltes des Verurteilten in der Therapieeinrichtung auf die Strafe anzurechnen sei, bis infolge der Anrechnung zwei Drittel der Strafe erledigt sind, § 36 Abs. 1 BtMG. Der Beschluss wurde dem Verurteilten am 13.02.2009 in der JVA G. zugestellt. Die Therapie absolvierte der Verurteilte ordnungsgemäß, zog danach aber bereits nach kurzer Zeit wieder aus dem betreuten Wohnprojekt des AKS aus und war fortan unbekannten Aufenthalts. Im sich anschließenden Verfahren über die Frage der Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung konnte er daher nicht mehr angehört werden.
Der Strafrest aus der Verurteilung des Amtsgerichts D. vom 22.11.2005 wurde dennoch - mit Rücksicht auf die erfolgreich absolvierte Therapie - durch Beschluss des Amtsgerichts D. vom 10.09.2010 gemäß § 36 Abs. 1 S. 3 BtMG zur Bewährung ausgesetzt. Der Beschluss wurde dem Verurteilten öffentlich zugestellt. Er ist rechtskräftig seit dem 11.01.2011.
Durch Beschluss vom 22.08.2011 hat das Landgericht A. die Strafaussetzung widerrufen, nachdem der Verurteilte durch Urteil des Amtsgerichts A. vom 22.12.2010 wegen Diebstahls mit Waffen in drei Fällen, davon in zwei Fällen des Versuchs, sowie wegen Diebstahls in einem weiteren Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr 4 Monaten verurteilt worden war . Der Verurteilung lagen Taten vom 19.07.2010, 28.09.2010, 4.10.2010 und 30.11.2010 zugrunde.
Gegen den ihm am 25.08.2011 zugestellten Beschluss hat der Verurteilte mit eigenem Schreiben vom selben Tag, eingegangen beim Landgericht A. am 30.08.2011, Beschwerde eingelegt.
II. Die Beschwerde des Verurteilten ist als sofortige Beschwerde gemäß § 36 Abs. 4 BtMG i.V.m. §§ 56f StGB, 453 Abs. 2 S. 3 StPO statthaft. Sie ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, in der Sache allerdings unbegründet.
Die von dem in der Justizvollzugsanstalt Aachen einsitzenden Verurteilten gerügte Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts A. für die Widerrufentscheidung folgt aus § 462a Abs. 1 StPO.
Die Beschwerde ist aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts A. zu verwerfen. Der Verurteilte ist innerhalb der Bewährungszeit erneut am 28.09.2010, 04.10.2010 und 30.11.2010 erheblich straffällig geworden. Zudem hatte das Amtsgericht D. bei seiner Beschlussfassung über die Aussetzung der Vollstreckung der Reststrafe von der weiteren Straftat vom 19.07.2010 keine Kenntnis. Dass die übrigen drei Taten nach Beschlussfassung, aber noch vor Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses begangen wurden, ist mit Rücksicht auf die gesetzliche Regelung des § 56f Abs. 1 S. 2 StGB unerheblich.
Ebenso unerheblich ist es aber auch, dass der Verurteilte von der Tatsache, dass er unter Bewährung stand, keine positive Kenntnis gehabt haben dürfte, da er im Verfahren nicht angehört und der Beschluss über die Aussetzung der Vollstreckung der Reststrafe öffentlich zugestellt worden ist. Auf Vertrauensschutz kann er sich insofern nicht berufen, als ihm zumindest bewusst war, dass die Strafvollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts D. noch nicht vollständig erledigt war. Zudem war ihm aufgrund des ihm zugestellten Beschlusses über die Zustimmung zur Zurückstellung auch bekannt, dass eine...