Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergleich zwischen Altgläubiger und Schuldner, Kenntnis vom Forderungsübergang

 

Leitsatz (amtlich)

Im Falle des gesetzlichen Forderungsüberganges nach § 86 VVG verliert der Schädiger den Schutz des § 407 BGB (hier: Bindung an einen mit dem Versicherungsnehmer nach Leistung des Versicherers geschlossenen Vergleich) nur bei positiver Kenntnis der den Forderungsübergang begründenden Tatsachen. Hierzu gehört auch die Kenntnis von der den Forderungsübergang erst bewirkenden Leistung des Versicherers. Die Kenntnis des Schädigers davon, dass der Geschädigte versichert ist und dass mit einer Leistungspflicht ernsthaft zu rechnen ist, genügt hingegen nicht. Auch mögliche Anhaltspunkte für eine Zahlung des Versicherers begründen keine weitere Erkundigungspflicht des Schädigers.

 

Normenkette

BGB § 407; VVG § 86

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Urteil vom 23.08.2013; Aktenzeichen 9 O 379/13)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des LG Aachen vom 23.8.2013 (9 O 379/12) wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

3. Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

1. Die Klägerin klagt als Gebäudeversicherer aus übergegangenem Recht. Der Beklagte hatte im Jahre 2009 im Auftrag der Eheleute L eine Dusche in deren bei der Beklagten versicherten Gebäude montiert. Hierbei kam es zu Schäden, die die Klägerin regulierte. Im Jahre 2010 führte Herr L gegen die Beklagte einen Rechtsstreit vor dem LG Aachen (9 O 125/10), in dem er den Beklagten mit der Begründung auf Schadensersatz in Anspruch nahm, die Schäden seien durch eine fehlerhafte Montage der Dusche entstanden. Dieser Rechtsstreit endete durch einen Vergleich, in dem vereinbart wurde, dass mit der Zahlung eines Betrages von 1.000 EUR an Herrn L alle wechselseitigen Ansprüche ausgeglichen seien. Das LG hat die vorliegende Klage abgewiesen, weil sich die Klägerin den Vergleich nach § 407 BGB entgegenhalten lassen müsse.

Von einer weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

2. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Zur Begründung wird auf den Beschlüsse des Senats vom 11.12.2013 und 4.1.2014 verwiesen. Die Stellungnahmen der Klägerin enthalten keine erheblichen und noch nicht berücksichtigten Gesichtspunkte. Sie geben zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass.

Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil etwaige Ansprüche, die nach § 86 VVG übergegangen sein könnten, durch den zwischen Herrn L und dem Beklagten in dem Verfahren LG Aachen 9 O 125/10 geschlossenen Vergleich ausgeglichen sind.

a) Dabei kommt es nicht darauf an, ob Herr L selbst oder - wie die Klägerin mit der Berufung vorträgt - nur dessen Ehefrau I L Versicherungsnehmerin ist. Entscheidend ist, dass Herr L den gerichtlichen Vergleich auch mit Wirkung für seine Ehefrau abgeschlossen hat. Den Auftrag an den Beklagten hatte Herr L erteilt. Auch war er ihm gegenüber als Versicherungsnehmer aufgetreten. Hieraus durfte der Beklagte aus seinem nach §§ 133, 157 BGB maßgeblichen Empfängerhorizont entnehmen, dass mit dem Vergleich auch etwaige Ansprüche der Ehefrau ausgeglichen sein sollten. Aus den gleichen Gründen und nach der Interessenlage der Eheleute L ist eine entsprechende Vollmacht des Ehemannes zumindest unter dem Gesichtspunkt der Anscheins- und Duldungsvollmacht anzunehmen. Davon, dass der Vergleich auch die Ehefrau als mögliche Mitanspruchinhaberin betraf, sind die Parteien erstinstanzlich denn auch als selbstverständlich ausgegangen. Der Vergleich umfasste zudem seinem eindeutigen Wortlaut nach nicht nur die von Herrn L in dem Vorprozess zuletzt geltend gemachten, sondern alle wechselseitigen und damit auch die im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Ansprüche.

b) Die Klägerin muss sich den zwischen Herrn L und dem Beklagten geschlossenen Vergleich gem. § 407 BGB entgegenhalten lassen. Diese Vorschrift gilt auch in dem Fall des gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 86 VVG (BGH, Urt. v. 7.2.1966 - II ZR 279/63, VersR 1966, 330; KG VersR 2002, 1541 = NVersZ 2002, 457 m.w.N.). Zur Kenntnis der den Forderungsübergang begründenden Tatsachen gehört im Rahmen des §§ 86 VVG die Kenntnis von der Leistung des Versicherers, da erst diese den Forderungsübergang bewirkt. Anders als beim sozialversicherungsrechtlichen Regress nach § 116 SGB X (dazu BGH NJW 2008, 1162 Rz. 8) genügt nicht die Kenntnis des Schädigers davon, dass der Geschädigte versichert ist und dass mit einer Leistungspflicht ernsthaft zu rechnen ist. Die Kenntnis wird auch nicht schon dadurch begründet, dass dem Schädiger die Regressabsicht des Versicherers mitgeteilt worden ist. Denn der Schuldner verliert den Schutz des § 407 BGB nicht schon bei fahrlässiger Unkenntnis, sondern nur bei positiver Kenntnis des Forderungsüberganges, der bei § 86 VVG aber erst mit der Zahlung des Versicherers eintritt (BGH VersR 1966, 330 und KG, a.a.O.). M...

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