Leitsatz (amtlich)
Zwar sind Entscheidungen über die Art der Durchführung der Beweisaufnahme nach § 355 Abs. 2 ZPO, der auch im selbständigen Beweisverfahren Anwendung findet, grundsätzlich nicht anfechtbar. Eine Ausnahme gilt aber für den Antrag einer Partei auf Ladung des gerichtlichen Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens.
Normenkette
ZPO § 255 Abs. 2, §§ 397, 402, 411 Abs. 3, § 567
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 29.11.2012; Aktenzeichen 4 OH 23/09) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Köln vom 29.11.2012 - 4 OH 23/09 - aufgehoben. Das LG wird angewiesen, Termin zur mündlichen Anhörung des Sachverständigen zu bestimmen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsteller begehren mit dem im April 2009 eingeleiteten selbständigen Beweisverfahren die Feststellung von Mängeln der vom Beklagten in ihrem Wohnhaus verlegten Fliesen. Der Sachverständige hat ein schriftliches Gutachten und auf Antrag der Antragsteller fünf Ergänzungsgutachten erstattet. Mit Schriftsatz vom 20.9.2012 haben die Antragsteller die Ladung des Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens beantragt. Das LG hat daraufhin durch den angefochtenen Beschluss vom 29.11.2012 festgestellt, dass das selbständige Beweisverfahren beendet ist und den Streitwert auf 17.000 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Antrag auf Anhörung des Sachverständigen rechtsmissbräuchlich sei, da der Sachverständige zu den Beweisfragen mehrfach Stellung genommen habe und die Antragsteller keine neuen Einwendungen gegen das Gutachten erhoben hätten.
Gegen diesen Beschluss wenden sich die Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
1. Die sofortige Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie richtet sich gegen die in dem angefochtenen Beschluss enthaltene Ablehnung des Antrages auf mündliche Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen. Zwar sind Entscheidungen über die Art der Durchführung der Beweisaufnahme nach § 355 Abs. 2 ZPO, der auch im selbständigen Beweisverfahren Anwendung findet, grundsätzlich nicht anfechtbar (BGH, Beschl. v. 9.2.2010 - VI ZB 59/09, BauR 2010, 932 für die Ablehnung der Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 412 ZPO). Eine Ausnahme gilt aber für den Antrag einer Partei auf Ladung des gerichtlichen Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens. Die unberechtigte Zurückweisung dieses Antrages bedeutet eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (BGH, a.a.O.). Zudem schließt sie das Verfahren faktisch ab, ohne dass gesichert ist, dass es zu einem Hauptsacheverfahren kommt, in dem die Frage geklärt werden kann (BGH, Beschl. v. 13.9.2005 - VI ZB 84/04, NZBau 2005, 688).
Die Beschwerdefrist ist gewahrt.
2. Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet.
Die Beteiligten können auch im selbständigen Beweisverfahren die mündliche Anhörung des Sachverständigen beantragen. Nach § 411 Abs. 3 ZPO kann das Gericht den Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens laden. Diese Vorschrift gilt auch für das selbständige Beweisverfahren (BGH, Beschl. v. 13.9.2005 - VI ZB 84/04, NZBau 2005, 688), die Partei wird mit der Anhörung des Sachverständigen nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen.
Die Antragsteller haben den Antrag innerhalb der ihnen vom LG eingeräumten Stellungnahmefrist gestellt und begründet. Das LG hätte dem Antrag stattgeben müssen.
Auf Antrag der Partei ist das Gericht verpflichtet, den Gutachter zu laden. Das ergibt sich aus §§ 402, 397 ZPO. Nach dieser Vorschrift hat die Partei das Recht, den Sachverständigen selbst zu befragen. Grenzen ergeben sich nur aus dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs und der Prozessverschleppung. Dafür reicht es nach ständiger Rechtsprechung des BGH und des BVerfG insbesondere nicht aus, dass das Gericht das Gutachten für überzeugend hält (BGH, Beschl. v. 8.11.2005 - VI ZR 121/05, IBR 2006, 423; Beschl. v. 22.5.2007 - VI ZR 233/06, BauR 2007, 1610 = NZBau 2007, 641; BVerfG, Beschl. v. 14.1.2012 - 1 BvR 2728/10, IBR 2012, 489 = NJW 2012, 1346). Die mündliche Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen dient nicht lediglich dazu, dem Gericht eine qualifizierte Beweiswürdigung zu ermöglichen. Vielmehr gehört es zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs, dass die Parteien dem Sachverständigen Fragen stellen, ihre Bedenken vortragen und sie um eine nähere Erläuterung von Zweifelspunkten bitten können (BVerfG, Beschl. v. 14.1.2012 - 1 BvR 2728/10, IBR 2012, 489 = NJW 2012, 1346). Dies gilt umso mehr im selbständigen Beweisverfahren, welches lediglich auf eine vorweggenommene Beweiserhebung gerichtet ist und in dem eine Beweiswürdigung nicht stattfindet.
Der Antrag auf mündliche Anhörung des Sachverständigen kann ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich sein, wenn das Gutachten vollständig und überzeugungsfähig ist und...