Entscheidungsstichwort (Thema)
Unerlaubte Handlung
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der zu beachtenden Sorgfaltsmaßstäben bei einem sog. "Juxturnier" (Fußball).
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, §§ 249, 253 Abs. 2, § 823 Abs. 2; StGB § 229
Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 27.01.2010; Aktenzeichen 2 O 238/09) |
Tenor
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 27.1.2010 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Bonn (2 O 238/09) gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
Die Berufung des Klägers hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die gem. § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 522 Abs. 2 und 3 ZPO).
Das LG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch gemäß den §§ 823 Abs. 1, 249, 253 Abs. 2 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB, denn dem Beklagten kann kein Schuldvorwurf gemacht werden. Das Berufungsvorbringen veranlasst nicht zu einer abweichenden, dem Kläger günstigen Beurteilung der Rechtslage.
Der Beklagte handelte nicht fahrlässig i.S.d. § 276 BGB, da er nicht diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die von einem gewissenhaften und besonnenen Stürmer einer Fußballmannschaft bei dem Zusammentreffen mit dem gegnerischen Torwart zu fordern ist.
Im Allgemeinen löst ein schuldhaft begangener Verstoß gegen eine dem Schutz des Sportlers dienende Spielregel Schadensersatzverpflichtungen aus, wenn dadurch der Sportler verletzt wird. Jedoch verhält es sich jedenfalls dann anders, wenn es sich um Verletzungen handelt, die ein Fußballspieler beim Austragen eines Wettkampfes durch einen anderen - meist wie hier der Gegenpartei angehörenden - Spieler erleidet, sofern dessen Spielweise im Rahmen der Regeln lag, nach denen beide Mannschaften das Spiel angetreten haben; derartige Verletzungen werden von jedem Teilnehmer in Kauf genommen. Jedenfalls muss die Teilnahme eines Sportlers an einem Fußballwettkampf, der nach bestimmten, für jeden Mitspieler verbindlichen Regeln geführt wird, rechtlich dahin verstanden werden, dass er sich der Spielordnung unterstellt, also die Teilnahmebedingungen anerkennt und, sofern spielgerechtes Verhalten vorlag, keine ihm etwa erwachsenen Schadensersatzansprüche geltend machen wird (BGH NJW 1975, 109).
Fußball ist ein Kampfspiel, d.h. ein gegeneinander ausgetragenes "Kontaktspiel" - bei dem es zu körperlichen Berührungen kommt -, das unter Einsatz von Kraft und Geschicklichkeit geführt wird und das wegen des dieser Sportart eigenen kämpferischen Elementes bei dem gemeinsamen "Kampf um den Ball" nicht selten zu unvermeidbaren Verletzungen führt.
Mit deren Eintritt rechnet jeder Spieler und geht davon aus, dass auch der andere diese Gefahr in Kauf nimmt und daher etwaige Haftungsansprüche nicht erheben will. Mit einem dennoch erhobenen Schadensersatzanspruch würde sich der Verletzte in rechtlich unzulässigen Widerspruch zu seinem vorhergehenden Verhalten setzen. Es ist der Grundsatz des gegen Treu und Glauben verstoßenden venire contra factum proprium, der es nicht zulässt, dass der Geschädigte den Schädiger in Anspruch nimmt, obschon er ebenso gut in die Lage hätte kommen können, sich dann aber (und mit Recht) dagegen gewehrt haben würde, diesem trotz Einhaltens der Spielregeln Ersatz leisten zu müssen (BGH, a.a.O.; BGH NJW 2003, 2018).
Beim Fußballspiel kommt es darauf an, im Kampf um den Ball schneller und gewandter als der Gegner zu sein und gerade dann das Letzte an Gewandtheit und Schnelligkeit herauszuholen, wenn ein Spieler der Gegenseite sich ebenfalls um den Ball bemüht. Das gilt auch dann, wenn ein Stürmer und der gegnerische Torwart danach trachten, in den Besitz des Balles zu kommen. Auch hier ist es die Aufgabe des Stürmers, schneller als der Torwart am Ball zu sein. Das ist ihm durch keine Fußballregel untersagt. Das bedeutet, dass der Stürmer sich solange um den Ball bemühen darf, als der Torwart ihn nicht fest in den Händen hält (BGH, Urt. v. 5.3.1957 - VI ZR 199/56).
Es muss weiterhin beachtet werden, dass die Hektik und Eigenart eines Fußballspiels den Spieler oft zwingen, so auch hier, im Bruchteil einer Sekunde Chancen abzuwägen, Risiken einzugehen und Entscheidungen zu treffen. Das Fußballspiel stellt hohe Anforderungen an die physische und psychische Kraft, an Schnelligkeit, Geschicklichkeit und körperlichen Einsatz. Daher ist es selbstverständlich, dass dabei Fehler (Regelwidrigkeiten) unterlaufen können, die erfahrungsgemäß auch bei anerkannten Spielern immer wieder vorkommen...