Leitsatz (amtlich)
1. Das AG Schöneberg kann eine Nachlasssache auch dann gem. § 343 Abs. 2 S. 2 FamFG aus wichtigen Gründen an ein anderes Gericht verweisen, wenn es seinerseits aufgrund einer Verweisung nach § 3 Abs. 1 S. 1 FamFG mit der Sache befasst worden ist. Die in § 3 Abs. 3 S. 2 FamFG angeordnete Bindungswirklung steht dem nicht entgegen.
2. Der Umstand, dass zum Nachlass ein Sparguthaben gehört, rechtfertigt es nicht, eine Nachlasssache gem. § 343 Abs. 2 S. 2 FamFG an das für die kontoführende Bank örtlich zuständige AG zu verweisen. Ein gleichwohl ergangener Verweisungsbeschluss des AG Schöneberg ist jedenfalls dann objektiv willkürlich - und damit nicht bindend i.S.d. § 3 Abs. 3 S. 2 FamFG - wenn er allein mit der Wendung "Die Nachlassgegenstände befinden sich im dortigen Gerichtsbezirk" begründet wird.
Verfahrensgang
AG Köln (Aktenzeichen 29 VI 62/14) |
AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 63 VI 260/14) |
Tenor
Zuständig ist das AG Schöneberg.
Gründe
1. Nachdem das AG Schöneberg die Sache mit Beschluss vom 4.6.2014 formell rechtskräftig an das AG Köln verwiesen und dieses sich mit Beschluss vom 16.6.2014 (erneut) formell rechtskräftig für unzuständig erklärt hat, ist das zuständige Gericht gem. § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG zu bestimmen. Denn ein Zuständigkeitsstreit im Sinne dieser Vorschrift kann auch die Wirksamkeit einer "Verweisung" i.S.d. § 343 Abs. 2 S. 2 FamFG zum Gegenstand haben (vgl. hierzu etwa Keidel/Sternal, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 5 Rz. 22 m.w.N.). Da das nächsthöhere gemeinsame Gericht der AG Schöneberg und Köln der BGH ist, hat die Zuständigkeitsbestimmung durch das OLG Köln, zu dessen Bezirk das zunächst mit der Sache befasste AG Köln gehört, zu erfolgen (§ 5 Abs. 2 FamFG).
2. Zuständiges Gericht ist das AG Schöneberg.
Bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 5 Abs. 1 Nr. 4 ZPO sind nicht nur allgemeine Zuständigkeitsvorschriften, sondern auch die verfahrensrechtlichen Bindungswirkungen (§ 3 Abs. 3 S. 2 FamFG) und Zuständigkeitsverfestigungen (§ 2 Abs. 2 FamFG) zu beachten. Die Bindungswirkung des ersten Verweisungsbeschlusses wirkt daher auch im Bestimmungsverfahren fort, weshalb regelmäßig das Gericht als zuständig zu bestimmen ist, an das die Sache durch den ersten - bindenden - Verweisungsbeschluss gelangt ist. Dabei kommt einem Verweisungsbeschluss grundsätzlich auch dann Bindungswirkung zu, wenn er sachlich unrichtig ist oder auf Verfahrensmängeln beruht (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa OLG Düsseldorf, FGPrax 2010, 213; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2013, 1354; Keidel/Sternal, a.a.O., § 5 Rz. 45; jeweils m.w.N.).
a) Entgegen der im Vorlagebeschluss des AG Köln vom 16.6.2014 zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung folgt die Zuständigkeit des AG Schöneberg allerdings unter Beachtung dieser Grundsätze nicht bereits daraus, dass sich zunächst das AG Köln mit seinem am 16.4.2014 erlassenen Beschluss für unzuständig erklärt und die Sache dorthin verwiesen hat. Denn die in § 3 Abs. 3 S. 2 FGamFG angeordnete Bindungswirkung reicht nur so weit, wie das verweisende Gericht eine Zuständigkeitsentscheidung getroffen hat (Keidel/Sternal, a.a.O., § 3 Rz. 52 m.w.N.). Bei seiner Verweisungsentscheidung hatte das AG Köln indes lediglich darüber zu befinden, ob seine eigene örtliche Zuständigkeit vorlag und - falls dies zu verneinen sein sollte - welches andere Gericht örtlich zuständig war. Da die Erblasserin Deutsche war und zur Zeit des Erbfalls im Inland weder Wohnsitz noch Aufenthalt hatte, hat es diese Frage zu Recht dahingehend beantwortet, dass das AG Schöneberg zuständig ist (§ 343 Abs. 2 S. 1 FamFG). Nicht vom Prüfungsumfang umfasst war hingegen eine mögliche Befugnis des zuständigen AG Schöneberg, die Sache aus wichtigen Gründen an ein anderes Gericht zu verweisen (§ 343 Abs. 2 S. 2 FamFG; ebenso KG MDR 2014, 409 f.). Im Rahmen dieser dem AG Schöneberg vorbehaltenen Prüfung war dieses auch nicht darauf beschränkt, die Sache gegebenenfalls an ein drittes Gericht zu verweisen. Möglich war - bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen - auch eine Zurückverweisung an das bereits mit der Sache befasste AG Köln.
b) Andererseits hat auch das AG Schöneberg mit seinem Beschluss vom 4.6.2014 keine bindende Verweisung an das AG Köln ausgesprochen.
Allerdings sind nach dem Willen des Gesetzgebers, der dies durch die Verwendung des Begriffs "Verweisung" zum Ausdruck gebracht hat, auch Beschlüsse nach § 343 Abs. 2 S. 2 FamFG grundsätzlich bindend i.S.d. § 3 Abs. 3 S. 2 FamFG (vgl. BT-Drucks. 16/6308, 277). Nach allgemeiner Ansicht kommt aber offenbar gesetzeswidrigen und offensichtlich unrichtigen Verweisungsbeschlüssen keine Bindungswirkung zu. Offensichtlich unrichtig in diesem Sinne sind Verweisungsbeschlüsse insbesondere dann, wenn sie auf objektiver Willkür beruhen, wenn sie also schlechterdings nicht als im Rahmen des Gesetzes ergangen angesehen werden können, weil sie nicht nur auf unrichtiger Rechtsanwendung beruhen, sondern jeder gesetzlichen Grundlage entbehren (ständige Rechtsprechung, vgl. e...