Entscheidungsstichwort (Thema)
Zumutbarkeit von zahnärztlichen Nachbesserungsmaßnahmen
Leitsatz (amtlich)
Umfang und Häufigkeit der seitens eines Patienten dem Zahnarzt einzuräumenden Nachbesserungsversuche entziehen sich generalisierender Betrachtung, sind vielmehr anhand einer Gesamtschau der konkreten Gegebenheiten zu beurteilen. Spannungen zwischen Zahnarzt und Patient sind nicht generell geeignet, die Fortsetzung der Behandlung als unzumutbar anzusehen, sondern erst dann, wenn ein Verhalten des Zahnarztes vorliegt, das aus Sicht eines durchschnittlich robusten oder empfindsamen Patienten als nicht mehr hinnehmbar erscheint.
Normenkette
BGB §§ 611, 628
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 06.03.2012; Aktenzeichen 3 O 83/11) |
Tenor
1. Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 6.3.2012 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Köln - 3 O 83/11 - gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
2. Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
I. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das LG hat der Klage zu Recht stattgegeben und die Widerklage zu Recht abgewiesen. Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 und 2 ZPO).
Die Kammer hat im rechtlichen Ansatz in jeder Hinsicht zutreffend erkannt, dass der aus dem Behandlungsvertrag resultierende und auf die Klägerin übergegangene Honoraranspruch eines Zahnarztes (§§ 611 Abs. 1, 398 BGB) nur entfallen kann, wenn die erbrachte Leistung vollständig unbrauchbar ist (so insbesondere auch Senat in std. Rechtsprechung, vgl. Urt. v. 27.2.2002 - 5 U 151/01 - juris; vgl. nunmehr auch ausdrücklich BGH, Urt. v. 29.3.2011; VersR 2011, 883 f.) und dem Zahnarzt ein Nachbesserungsrecht nicht oder nicht mehr zusteht. Die Kammer hat für den konkreten Fall zu Recht erkannt, dass der Beklagten weitere Nachbesserungen nicht unzumutbar gewesen wären.
Umfang und Häufigkeit der seitens des Patienten einzuräumenden Nachbesserungsversuche hängen von den Umständen des Einzelfalles ab. Sie entziehen sich einer generalisierenden Betrachtung. Vielmehr muss aus einer Gesamtschau der konkreten Gegebenheiten die Zumutbarkeit weiterer Nachbesserung beurteilt werden. Die unterschiedliche Komplexität der zu erbringenden zahnärztlichen Leistung, die unterschiedlichen konkreten intraoralen Gegebenheiten beim Patienten, die unterschiedlichen Ansprüche, Erwartungen und Empfindsamkeiten des Patienten an den Komfort, das eventuelle Eintreten von nicht vorhersehbaren Komplikationen und vieles mehr können dazu führen, dass die Frage der Zumutbarkeit zahnärztlicher Nachbesserung bei der Eingliederung einer Prothese von Fall zu Fall in ganz erheblichem Maße divergiert. Spannungen zwischen Behandler und Patient, die aus wechselseitigen Frustrationsgefühlen resultieren können, sind demgegenüber nur bedingt tauglich, die Unzumutbarkeit zu begründen. Die Eingliederung von Zahnersatz ist in besonderem Maße von wechselseitigem Vertrauen abhängig, von der Einsicht in die Komplexität und Dauer der Behandlung einerseits, in die Ängste und Beschwerden des Patienten andererseits und - nicht selten - von einem gehörigen Maß an aufzubringender Geduld. Nur ein Verhalten des Zahnarztes, das aus Sicht eines durchschnittlich robusten oder empfindsamen Patienten, der Einsicht in die Problematik der Behandlung zeigt, als nicht mehr hinnehmbar erscheint, wird für sich genommen ausreichen, die Behandlung einseitig abzubrechen.
Diese Maßstäbe für die Frage der Zumutbarkeit der Nachbesserungsmaßnahmen hat die Kammer im vorliegenden Fall nicht verkannt, vielmehr eine auch aus Sicht des Senates vollständige und sachgerechte Abwägung der Gesamtumstände vorgenommen. Die bloße Zahl von Behandlungsterminen (insgesamt 17), die überwiegend durch Beschwerden der Beklagten veranlasst gewesen sein mögen, ist nicht entscheidend. Sie erklären sich zum einen vor dem Hintergrund der Notwendigkeit, den Zahn 33 zu entfernen, der nachfolgenden Entzündung und der langwierigen, verzögerten und schmerzhaften Abheilung des Knochens. Sie erklären sich zum anderen vor dem Hintergrund einer Therapie, die in ganz besonderem Maße den Bedürfnissen der Beklagten Rechnung tragen wollte, nämlich ihr den unstreitig von ihr nachdrücklich gewünschten dauerhaften Einsatz der Prothese zu ermöglichen, obwohl eine zeitweilige Prothesenkarenz medizinisch geboten gewesen wäre. Die Bemerkung über die "Menschen in Afrika", die auch ohne Zähne leben könnten, war ebenfalls nicht geeignet, die Zumutbarkeit der weiteren Behandlung in Frage zu stellen. Insoweit wird auf die Ausführungen der Kammer Bezug genommen, die die Beklagte auch nicht mehr gesondert angreift.
Die Beklagte kann die mangelnde Zumutbarkeit weiterer Behandlung auch nicht darauf st...