Entscheidungsstichwort (Thema)
Entziehung des Vermögenssorgerecht. Entziehung der Vermögenssorge im Erbscheinsverfahren, Interessengegensätze der Eltern
Leitsatz (redaktionell)
1. Gegen die Entscheidung nach § 1629 Abs. 2 S. 3 BGB ist die befristete Beschwerde gem. § 621 e ZPO gegeben.
2. Zum erheblichen Interessengegensatz i.S.v. der §§ 1796, 1629 Abs. 2 S. 3 BGB, wenn der Vater im Erbscheinsverfahren die Auffassung vertritt, das Testament des Erblassers sei dahingehend zu verstehen, dass seine Kinder nicht neben ihm zu Miterben berufen seien.
3. Der erhebliche Interessengegensatz der Mutter, die selbst nicht Miterbin ist, kann sich aus einem gleichgelagerten eigenen Interesse ergeben.
Normenkette
BGB § 1629 Abs. 2, §§ 1796, 1629 Abs. 2 S. 3; ZPO § 621e
Verfahrensgang
AG Siegburg (Aktenzeichen 33a F 320/99) |
Tenor
Auf die Beschwerden der Beschwerdeführer werden die Beschlüsse des Amtsgerichts – Familiengericht – Siegburg vom 25.11.1999 und vom 6.1.2000 – 33a F 320/99 – aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über die Entziehung der Vermögenssorge der Eltern, soweit die Vertretung im Erbscheinsverfahren betroffen ist, an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
Die Beschwerden sind nach § 621 e Abs. 1 i. V. m. § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an sich statthaft. Es handelt sich bei den angefochtenen Beschlüssen um urteilsähnliche Endentscheidungen im Sinne des § 621 e Abs. 1 ZPO, da sie die Instanz abschließen (Zöller/Philippi, ZPO, 21. Auflage, § 621e Rz. 6), so dass als Rechtsmittel die befristete Beschwerde gegeben ist. Sie sind auch im übrigen zulässig, insbesondere gemäß § 621 e Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 516 ZPO fristgerecht eingelegt worden. Zwar ist die Beschwerde vom 17.12.1999 erst am 8.2.2000 bei dem Oberlandesgericht Köln eingegangen. Da aber der Beschluss vom 25.11.1999 nicht förmlich zugestellt worden ist und durch die Zustellung der Lauf einer Notfrist in Gang gesetzt werden sollte, waren die formlose Zustellung nicht wirksam und demgemäss die Beschwerdefrist am 8.2.2000 noch nicht abgelaufen. Es kommt gemäß § 187 Satz 1 ZPO, § 16 Abs. 2 Satz 1 FGG nicht darauf an, wann der Beschluß den Beteiligten zugegangen ist.
Der Beschluß vom 6.1.2000 ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführer am 10.1.2000 zugestellt worden. Die Beschwerde ist am 9.2.2000 bei dem Oberlandesgericht Köln eingegangen und war damit ebenfalls fristwahrend.
Die Beschwerden haben in der Sache vorläufig Erfolg, soweit das Amtsgericht den Eltern die Vertretung ihrer Kinder im Erbscheinsverfahren entzogen hat und soweit es Rechtsanwalt H. K. in S. zum Ergänzungspfleger mit dem Aufgabenkreis der Vertretung der Kinder im Erbscheinsverfahren bestellt hat.
Das Verfahren des Amtsgerichts leidet an einem schweren Verfahrensmangel, der die Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung gebietet. Nach §§ 50a Abs. 1 Satz 1, 50b Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 FGG hat das Gericht in einem Verfahren, das die Vermögenssorge für ein Kind betrifft, die Eltern und das Kind persönlich anzuhören. Letztes gilt jedenfalls dann, wenn dies nach der Art der Angelegenheit angezeigt erscheint. Diese Voraussetzung ist gegeben, da sich beide Kinder in einem Alter befinden – S. H. wird in diesem Jahr volljährig –, in dem sie eine Vorstellung von der Bedeutung der Angelegenheit sowohl in vermögensrechtlicher als auch in familienrechtlicher Hinsicht entwickeln können. Eine Anhörung der Kinder hat bisher aber nicht gefunden. Auch die Anhörung der Eltern entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen. Nach dem Aktenvermerk vom 27.12.1999 (Bl. 29R) hat zwischen der Rechtspflegerin des Familiengerichts und der Rechtspflegerin des Nachlaßgerichts ein Ferngespräch stattgefunden, in dem die Anordnung der Pflegschaft thematisiert und für wahrscheinlich gehalten wurde. Bei diesem Ferngespräch waren die Eltern auf Seiten der Rechtspflegerin des Nachlaßgerichts anwesend. Sowohl der Aktenvermerk als auch die Art der Anhörung lassen offen, ob die Eltern, insbesondere die Mutter, die selbst nicht Miterbin ist, verstanden haben, ob auch ihr die Vertretungsmacht entzogen werden sollte und welche Bedeutung der teilweisen Entziehung der Vertretungsmacht und der Anordnung einer Ergänzungspflegschaft zukommt. Das Amtsgericht wird daher die Anhörung der Eltern und der Kinder nachzuholen haben.
Bei der nach Anhörung der Beteiligten zu treffenden Entscheidung ist folgendes zu beachten:
Nach § 1629 Abs. 2 Satz 3 BGB kann das Familiengericht den Vater und der Mutter nach § 1796 BGB die Vertretung entziehen. Nach § 1796 Abs. 2 1. Alternative BGB soll die Entziehung nur erfolgen, wenn das Interesse des Kindes zu dem Interesse des Elternteils, dessen Vertretungsmacht entzogen werden soll, in erheblichem Gegensatz steht. Ein erheblicher Interessengegensatz liegt vor, wenn die Förderung des Interesses der einen Seite auf Kosten des Interesses der anderen Seite erfolgt oder diese Förderung nur auf Kosten des Interesses der anderen Seite mögli...