Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Mutwilligkeit trotz Schweigens im VKH-Prüfungsverfahren der Gegenseite bei nachfolgender Hilfsaufrechnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es kann dahinstehen, ob die Rechtsverteidigung gegen einen Antrag mutwillig ist, wenn die Antragsgegnerin Einwendungen im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren der Gegenseite - zunächst - zurückhält (vgl. OLG Köln OLGReport Köln 2009, 452 f. für das Prozesskostenhilfeverfahren).

2. Jedenfalls kann die Erfolgsaussicht für die Rechtsverteidigung und damit die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht abgelehnt werden, wenn die Antragsgegnerin sich im Verlaufe des Verfahrens (Prüfungs- und Beschwerdeverfahrens) auch mit einer - hilfsweise erklärten - Aufrechnung verteidigt.

 

Normenkette

FamFG § 113; ZPO § 114; BGB § 389

 

Verfahrensgang

AG Heinsberg (Beschluss vom 02.03.2010; Aktenzeichen 31 F 288/09)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 18.3.2010 wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Heinsberg vom 2.3.2010 - 31 F 288/09 - dahin abgeändert, dass ihr zur Verteidigung gegen den Antrag ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt I. bewilligt wird.

Es wird darauf hingewiesen, dass eine Überprüfung der Verfahrenskostenhilfe und Inanspruchnahme der Antragsgegnerin für die Verfahrenskosten in Betracht kommt, wenn und soweit sie aus der Teilungsversteigerung einen überschießenden Erlös erhalten sollte.

 

Gründe

Das zulässige Rechtsmittel hat im Ergebnis Erfolg.

Das AG hat die Rechtsverteidigung der Antragsgegnerin für mutwillig gehalten, weil sie zu dem Verfahrenskostenhilfegesuch des Antragstellers nicht Stellung genommen hat, wodurch es zur Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für diesen und damit erst zur Durchführung des gerichtlichen Verfahrens gekommen sei.

a) Es entspricht einer zumindest weitverbreiteten Auffassung, dass die Prozessführung einer Partei mutwillig ist, die ihr Verhalten - vorprozessual oder auch im Rahmen des vorgeschalteten Prozesskostenhilfeverfahrens - nicht auf Prozessvermeidung ausrichtet, sondern durch Tatenlosigkeit dazu beiträgt, dass der antragstellenden Partei Prozesskostenhilfe bewilligt wird, um sich dann erst im Prozessverfahren - ebenfalls unter Gewährung von Prozesskostenhilfe - (erfolgreich) gegen den Kläger zu verteidigen, deren Verhalten mithin dazu führt, dass die Gerichte bei beiderseitiger Prozesskostenhilfebewilligung und damit mit beträchtlichen Kosten für die Allgemeinheit mit einem "letztlich überflüssigen Prozess" befasst werden (vgl. OLG Köln OLGReport Köln 2009, 452 ff.; OLG Brandenburg FamRZ 2006, 349; FamRZ 2008, 70; OLG Düsseldorf, FamRZ 1997, 1017; OLG Oldenburg, FamRZ 2002, 1712; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 30. Aufl., § 114 Rz. 7; Wax in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 114 Rz. 2127; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 114 Rz. 36; offen lassend Zöller/Geimer, 28. Aufl., § 114 Rz. 34a m.w.N. auch zu abweichenden Ansichten). Eine Partei, die nicht damit rechnen kann, dass sie bei einem Gewinn des Prozesses ihre Kosten bei dem prozessarmen Gegner erstattet bekommen wird, würde ihr Interesse daran setzen, ihre Gegenargumente möglichst frühzeitig geltend zu machen, um dadurch ein gerichtliches Verfahren und die damit verbundene Kostenbelastung zu vermeiden.

Diese Argumentation wird auch auf die Verfahrenskostenhilfe in Familienverfahren zu übertragen sein.

b) Im Streitfall haben die Antragsgegnerin und ihr Verfahrensbevollmächtigter, die seit langem und immer wieder in den unterschiedlichsten Konstellationen mit der Frage der Nutzungsentschädigung oder Wohnwertanrechnung betreffend das Hausobjekt befasst gewesen sind, im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren keinerlei Stellungnahme abgegeben und damit die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Antragsteller und die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens gegen die Antragsgegnerin herbeigeführt.

c) Gleichwohl sieht der Senat in der hier gewählten Vorgehensweise noch keine mutwillige Prozessführung. In der Antragserwiderung hat sich die Antragsgegnerin zunächst gegen die geltend gemachte Nutzungsentgeltforderung selbst gewandt, indem sie gemeint hatte, dem Verlangen stehe eine rechtskräftige Entscheidung entgegen, zumindest sei das Verlangen des Antragstellers aber unbillig oder arglistig. Erst im Rahmen des Beschwerdevorbringens, nachdem sie erkannt hat, dass ihre bisherige Rechtsverteidigung aus der Sicht des AG erfolglos sein würde, hat sie gegen die Nutzungsentgeltforderungen mit Gegenforderungen aufgerechnet.

Insoweit kann aber davon ausgegangen werden, dass ihre Stellungnahme zu dem Verfahrenskostenhilfegesuch im Ergebnis nicht anders ausgesehen hätte als die zunächst abgegebene Antragserwiderung mit der Folge, dass es auch unter Berücksichtigung dieser Stellungnahme zu einer Verfahrenskostenbewilligung für den Antragsteller gekommen wäre. Dass in der ersten Stellungnahme noch nicht - hilfsweise - die Aufrechnung mit Gegenansprüchen erklärt worden ist, macht das "Prozessverhalten" ungeachtet möglicher Nacht...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?