Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Frage der Beachtlichkeit des Kindeswillens bei der Sorgerechtsentscheidung. Elterliche Sorge: Beachtlichkeit des geäußerten Willens eines 16-jährigen Kindes

 

Leitsatz (amtlich)

Dem geäußerten Willen eines auch 16-jährigen Kindes zur Ausübung des Sorgerechts ist nicht zu folgen, wenn der geäußerte Kindeswille aus einem erheblichen Loyalitätskonflikt heraus geäußert wird, den es selbst nicht lösen kann.

In einem solchen Fall ist die Entscheidung deshalb vom FamG unabhängig von diesem geäußerten Willen und allein nach Gesichtspunkten des Kindeswohls zu treffen war.

Die Bemerkung des Kindes, entweder sollten beide Eltern oder keiner von Beiden das Sorgerecht ausüben, lässt auf einen solchen für das befragte Kind unlösbaren Loyalitätskonflikt schließen.

 

Normenkette

BGB § 1671 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

AG Brühl (Beschluss vom 14.05.2008; Aktenzeichen 32 F 333/05)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - FamG - Brühl vom 14.5.2008 - 32 F 333/05 - wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

2. Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens wird mangels Erfolgsaussicht abgewiesen.

3. Der Antragstellerin wird zur Verteidigung im Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt K., C., beigeordnet.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das AG die elterliche Sorge allein auf die Antragstellerin übertragen und dadurch die bisherige gemeinsame Sorge der Eltern von L. aufgehoben.

Diese Maßnahme entspricht dem Wohl des Kindes am besten.

Zur Begründung verweist der Senat zunächst auf den angefochtenen Beschluss.

Das Beschwerdevorbringen des Antragsgegners rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Im Wesentlichen meint der Antragsgegner, die Kindesmutter sei zur Ausübung der alleinigen elterlichen Sorge nicht in der Lage, wie L.'s Entwicklung zeige, und die ihm, dem Kindesvater vorgeworfene mangelnde Kooperation mit dem Jugendamt habe er nicht zu verantworten.

Die Vergangenheit hat aber gezeigt, dass der Kindesvater es entweder ablehnt, die elterliche Sorge überhaupt auszuüben oder sie zum Nachteil des Kindes ausübt. Insoweit wird zu Recht immer wieder daran erinnert, dass der Kindesvater sogar so weit gegangen ist, seine elterliche Verantwortlichkeit einfach "niederzulegen". Er war nach seinem eigenen schriftlichen Bekunden ggü. dem AG dem Verhalten des Kindes nicht mehr gewachsen. Nicht etwa war er - wie er jetzt vorgibt - der Kindesmutter gegenüber hilflos. Er war hilflos ggü. dem Verhalten des Kindes und hat die vom Jugendamt ständig angebotenen Hilfsmaßnahmen abgelehnt und es vorgezogen, sich um nichts zu kümmern. Das ging sogar so weit, dass er notwendige Unterschriften nicht leistete und sogar Hilfen nicht nur nicht annahm, sondern sogar blockierte und das Kind nach den eigenen Angaben des Kindes gegen die Mutter und das Jugendamt und die von dort angebotenen und geleisteten Hilfen aufhetzte, was dazu führte, dass L. sogar den Umgang mit ihm ablehnte.

Dies hat sich zwar nach L.'s Angaben in letzter Zeit gegeben, so dass er den Vater wieder gern besucht. Nichts spricht allerdings dafür, dass in Zukunft mit einem verlässlichen Verhalten des Vaters gerechnet werden könnte und damit, dass er nicht bei erneuten Auffälligkeiten des Kindes seine Verantwortlichkeit wieder "abgeben" will.

Dazu gehörte zum einen Einsicht in früheres Fehlverhalten. Das ist aber nicht zu erkennen, wenn er angesichts der massiven Konfrontationen in der Vergangenheit gerade auch bezüglich der medikamentösen Behandlung des Kindes vor dem AG lapidar erklärt, er sehe keine Probleme zur Zusammenarbeit, auch nicht, wenn sein Sohn Medikamente brauche. Zum anderen hat es bislang nicht die geringsten Anzeichen eines kooperativen Verhaltens gegeben, wie es z.B. in einer Kontaktaufnahme zum Jugendamt gesehen werden könnte.

Insgesamt hat der Antragsgegner in der Vergangenheit entweder gar nicht oder nur störend mitgewirkt, so dass ein bloßes Lippenbekenntnis nicht ausreicht, hier eine Änderung seiner Einstellung annehmen zu können.

Da L. ein erheblich belastetes Kind ist, benötigt er alle nur denkbaren und möglichen Hilfen.

Fest steht - und insoweit hat der Antragsgegner Recht - dass die Mutter allein nicht in der Lage ist, die bereits bei L. vorliegenden Schäden zu bearbeiten oder weitere Schäden zu verhindern.

Da sie jedoch nach dem Bericht des Jugendamts vom 13.12.2007 im Gegensatz zum Antragsgegner in der Vergangenheit immer bereit und in der Lage gewesen ist, die vom Jugendamt angebotenen Hilfen anzunehmen und den für erforderlich gehaltenen Maßnahmen auf erzieherischem und gesundheitlichem Gebiet zuzustimmen, ist die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Mutter der einzige Garant dafür, dass für L. alles getan werden kann, was erforderlich ist. Wenn dazu - wie der Antragsgegner meint - eine psychotherapeutische Bearbeitung bestimmter Ereignisse ...

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