Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine übertriebenen Anforderungen an den Nachweis ordnungsgemäßer Aufklärung
Leitsatz (amtlich)
Der allgemein akzeptierte Grundsatz, dass an den Nachweis ordnungsgemäßer Aufklärung keine unbilligen oder übertriebenen Anforderungen zu stellen sind, vielmehr das Gericht seine Überzeugung auch auf die Angaben des Arztes in der mündlichen Verhandlung stützen kann, selbst wenn eine ausführliche Dokumentation des Aufklärungsgespräches fehlt, gilt in gleicher Weise für die Risikoaufklärung wie für die Aufklärung über Behandlungsalternativen.
Normenkette
BGB §§ 249, 280, 611, 823; ZPO § 286
Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 29.04.2015; Aktenzeichen 9 O 346/13) |
Tenor
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 29.04.2015 verkündete Urteil der 9 . Zivilkammer des LG Bonn - 9 O 346/13 - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO).
Gründe
I. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht noch nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO). Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das LG die Klage abgewiesen, weil schadensursächliche Behandlungsfehlers nicht festgestellt werden können und auch die Aufklärungsrüge ohne Erfolg bleibt.
1.) Das LG hat es als erwiesen angesehen, dass der Verstorbene nicht nur über die grundsätzlich in Betracht kommenden Behandlungsalternativen, sondern auch darüber aufgeklärt wurde, dass eine Operation des Großzehengrundgelenks mittels Arthrodese den Goldstandard darstellt, während die Operationsmethode nach Keller/Brandes, für die sich der Verstorbene entschieden hat, lediglich Therapie zweiter Wahl war. An diese Feststellung ist der Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, denn es liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass eine Aufklärung über die unterschiedlichen Behandlungsalternativen, die die Klägerin als solche nicht (mehr) bestreitet, zumindest im Operationsbericht eindeutig dokumentiert ist. Es geht nur um die Frage, ob ein ausdrücklicher Hinweis darauf erfolgt ist, dass die vom Patienten gewählte Methode nicht (mehr) die Methode erster Wahl darstellt. Der Senat hat durchaus Zweifel, ob - wie der Sachverständige gemeint hat - eine derart weitreichende Aufklärung überhaupt geschuldet ist. Der Senat hat vor allem ganz erhebliche Zweifel an der Auffassung des Sachverständigen, dass dieser Hinweis auf die derzeitige Methode der ersten Wahl dann auch noch dokumentationspflichtig ist. Dies alles kann aber letztlich dahinstehen.
Die umfangreiche, alle wesentlichen Aspekte erfassende und gut begründete Beweiswürdigung des LG ist in keiner Weise zu beanstanden. Es unterliegt insbesondere keinen Bedenken, dass das LG eine präoperative Aufklärung des Verstorbenen über den Umstand, dass bei der Behandlung einer Großzehengrundgelenksarthrose in dem beim Verstorbenen vorliegenden Stadium die Arthrodese die Therapie erster Wahl war, trotz - insoweit - fehlender ärztlicher Dokumentation als erwiesen erachtet hat und dabei seine Überzeugungsbildung maßgeblich auf das Ergebnis der persönlichen Anhörung der Beklagten zu 2) und 3) gestützt hat. Nach der vom LG in seiner Entscheidung umfangreich zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dem Arzt der Nachweis ordnungsgemäßer Aufklärung nicht verwehrt, wenn er sie nicht dokumentiert hat. Auch wenn man, so der Bundesgerichtshof, in der stationären Behandlung eine Dokumentation der Tatsache eines Aufklärungsgespräches und des wesentlichen Inhaltes erwarten könne, dürfe an das Fehlen einer Dokumentation keine allzu weitgehende Beweisskepsis geknüpft werden. Da an den vom Arzt zu führenden Nachweis der ordnungsgemäßen Aufklärung keine unbilligen oder übertriebenen Anforderungen zu stellen seien, dürfe das Gericht seine Überzeugungsbildung gemäß § 286 ZPO auf die Angaben des Arztes stützen, wenn seine Darstellung in sich schlüssig und "einiger" Beweis für ein Aufklärungsgespräch erbracht sei (vgl. schon BGH, Urteil vom 08.01.1985, Az. VI ZR 15/83, Tz. 13; Urteil vom 28.01.2014, Az. VI ZR 143/13, Tz. 12f). Dies gelte sogar dann, wenn - wie hier nicht - der Arzt keine Erinnerung mehr an das Aufklärungsgespräch habe (BGH, Urteil vom 28.01.2014, Az. VI ZR 143/13, Tz. 13).
Diese von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze sind entgegen der mit der Berufung vertretenen Auffassung nicht auf den Fall der Risikoaufklärung beschränkt. Gründe, weswegen die Grundsätze nicht auf den Fall der Aufklärung über Behandlungsalternativen anzuwenden wäre, trägt die Klägerin nicht ...