Leitsatz (amtlich)
1.
Ein nicht anwaltlich vertretener, rechtsunkundiger Angeklagter ist ergänzend durch die Aushändigung eines merkblatts zu belehren, wenn es sich um eine schwierige Rechtsmittelbelehrung handelt. Das trifft auf die Belehrung über die Einlegung eines zulässigen Rechtsmittels gegen ein amtsgerichtliches Urteil zu, wenn nicht nur eine Annahmeberufung nach § 313 StPO statthaft ist.
2.
Hat der Angeklagte eine Belehrung nicht missverstanden, sondern überhaupt nicht verstanden und sich gleichwohl nicht nach dem Fristbeginn eines Rechtsmittels erkundigt, liegt darin ein die Widereinsetzung ausschließendes Verschulden.
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.
Gründe
I.
Der in erster Instanz nicht durch einen Anwalt vertretene Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts B. vom 10.10.2007 (Az. 75 Ds 551 Js 290/07 345/07) wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Nach der Verkündung des Urteils und des Bewährungsbeschlusses erfolgte eine Rechtsmittelbelehrung. Ein Merkblatt über die Rechtsmittelbelehrung ist dem Angeklagten nicht ausgehändigt worden.
Mit Schreiben seiner Verteidigerin vom 22.11.2007 hat der Angeklagte gegen das amtsgerichtliche Urteil Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Das Landgericht B. hat durch Beschluss vom 19.12.2007 (Az. 26 Ns 251/07) den Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet verworfen, nachdem der erkennende Richter bestätigt hatte, dass der Angeklagte sehr gut deutsch gesprochen und auch die Rechtsmittelbelehrung mit Sicherheit verstanden habe.
Gegen den ihm am 21.12.2007 zugestellten Beschluss hat der Angeklagte mit Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 27.12.2007, beim Landgericht eingegangen am 28.12.2007, sofortige Beschwerde eingelegt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde zu verwerfen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist nach § 46 Abs. 3 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, in der Sache aber ohne Erfolg.
Wiedereinsetzung kann nach § 44 S. 1 StPO nur verlangt werden, wenn der Antragsteller eine Frist ohne eigenes Verschulden versäumt hat. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Der Angeklagte hat - unabhängig von der Frage seiner Sprachkenntnisse - schon nicht dargelegt, dass ihn kein Verschulden an der Fristversäumung trifft.
Durch den Protokollvermerk in Verbindung mit der Stellungnahme des erkennenden Richters ist nachgewiesen, dass ihm eine mündliche Rechtsmittelbelehrung erteilt worden ist. Das zieht die sofortige Beschwerde auch nicht mehr in Zweifel.
Zutreffend ist allerdings, dass dem Angeklagten durch das Amtsgericht keine schriftliche Rechtsmittelbelehrung im Form eines Merkblatts ausgehändigt worden ist. § 35 a StPO schreibt zwar für Rechtsmittelbelehrungen keine bestimmte Form vor. Es entspricht aber ständiger, vom Schrifttum gebilligter Rechtsprechung, dass ein nicht anwaltlich vertretener, rechtsunkundiger Angeklagter ergänzend durch die Aushändigung eines Merkblatts zu belehren ist, wenn es sich um eine schwierige Belehrung handelt (BVerfG NStZ-RR 1996, 138 m.w.N.). Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 23.3.2001 (Az. 2 Ws 137/01) darauf hingewiesen, dass die Belehrung über die Einlegung eines zulässigen Rechtsmittels gegen ein amtsgerichtliches Urteil, - wenn nicht nur eine Annahmeberufung nach § 313 StPO statthaft ist -, umfangreich und komplex ist, da sie sich alternativ auf Berufung und Revision nebst den entsprechenden Begründungserfordernissen mit je unterschiedlichen Fristen zu beziehen hat.
Gleichwohl kommt unter den vorliegend gegebenen Umständen eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht, da der Angeklagte nichts dafür dargelegt hat, dass er die mündlich erteilte Rechtsmittelbelehrung missverstanden hat. Er hat vielmehr im Wiedereinsetzungsantrag durch seine Verteidigerin vortragen lassen, ob nach seiner Verurteilung eine Rechtsmittelbelehrung erfolgt sei, vermöge er nicht zu sagen, eine solche verstanden habe er nicht. Er sei entsprechend seiner Erfahrung mit Verwaltungsbehörden davon ausgegangen, einen schriftlichen Bescheid zu bekommen, gegen welchen er dann vorgehen könne. Daraus ergibt sich unzweifelhaft, dass dem Angeklagten bewusst war, keine konkrete Kenntnis darüber zu haben, innerhalb welcher Frist er das gegen ihn ergangene Urteil vorgehen musste. Wer eine Belehrung überhaupt nicht verstanden hat und sich gleichwohl nicht nach dem Fristbeginn erkundigt, handelt aber schuldhaft i.S.d. § 44 S. 1 StPO (BGH NStZ-RR 2007, 3 [B]; KG NZV 1992, 123; OLG Hamm NJW 2001, 3279; Meyer-Goßner, StPO, 50. Auflage, § 44 Rdn. 13). Voraussetzung der Wiedereinsetzung ist, dass ein Irrtum überhaupt entstanden ist, an dem die Frage des Verschuldens gemessen werden kann (SenE vom 3.4.2001 Az. 2 Ws 148/01).
Fundstellen