Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsfähigkeit der Kosten für Privatgutachten nur bei konkreten Verdachtsmomenten für einen versuchten Versicherungsbetrug
Leitsatz (amtlich)
Die Kosten für die Einholung eines vorgerichtlichen Privatgutachtens sind nur ausnahmsweise erstattungsfähig. Hat der Haftpflichtversicherer die Vermutung, sein Versicherungsnehmer versuche, einen Schaden dem Grunde oder der Höhe nach unberechtigter Weise zu liquidieren, kann er die Kosten für ein im Rahmen der Vorbereitung auf ein anstehendes gerichtliches Verfahren eingeholtes Sachverständigengutachten nur bei Bestehen konkreter Verdachtsmomente als notwendige Parteikosten i.S.v. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO erstattet bekommen. Die entsprechenden Umstände muss er bei der Kostenfestsetzung im Einzelnen darlegen und glaubhaft machen. Eine weit über das statistische Maß hinausgehende Häufigkeit der Beteiligung an Unfällen - allein - genügt nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2008, 1597 f. = juris Rz. 10 a.E.), der sich der Senat ausdrücklich anschließt, keinesfalls.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1, § 104
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 08.04.2014; Aktenzeichen 24 O 350/12) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 14.4.2014 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers der 24. Zivilkammer des LG Köln vom 8.4.2014 - 24 O 350/12 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen den Beschwerdeführern zur Last.
Gründe
Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zwar gem. §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 ff. ZPO, 11 Abs. 1 RPflG zulässig. In der Sache selbst hat sie jedoch aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung (241 - 244 GA) und des Nichtabhilfe-beschlusses vom 11.6.2014 (253 f. GA) keinen Erfolg.
Bei den Kosten für das vorprozessuale Gutachten des Privatsachverständigen Dipl.-Ing. G (Ingenieurbüro C GmbH) für ein am 29.6.2012 von der Beklagten zu 2 in Auftrag gegebenes Privatgutachten vom 8.8.2012 (226 - 228 = 96 ff. GA) handelt es sich nicht um notwendige Kosten der Rechtsverteidigung i.S.v. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Auch wenn der BGH immer mehr Ausnahmen zulässt, bleibt es bei dem Grundsatz, dass die Kosten eines vor dem Rechtsstreit eingeholten Privatgutachtens nur ausnahmsweise erstattungsfähig sind (vgl. nur Zöller/Herget, 30. Aufl., § 91 ZPO Rz. 13 "Privatgutachten" m.w.N.; MünchKomm/ZPO/Schulz, 4. Aufl., § 91 ZPO Rz. 158).
Die Beklagte zu 2 hatte Bedenken, ob die Instandsetzung des im Prozess geltend gemachten Schadens am Pkw des Klägers tatsächlich so erfolgt ist, wie die dafür eingereichte Rechnung es ausweist, und wie ein angeblicher Vorschaden - der tatsächlich an einem anderen Fahrzeug des Klägers entstanden war - repariert worden ist. Zur Feststellung ihrer Vermutungen hatte sie deshalb den Sachverständigen beauftragt. Dieser konnte diese Beschuldigungen jedoch nicht bestätigen. Damit war der Aufwand für den Sachverständigen objektiv und ex post betrachtet nicht notwendig. Da die Klageverteidigung der Versicherung allein aus anderen Gründen Erfolg hatte, die nicht auf ihrem sich auf die Feststellungen des Privatgutachtens stützenden Vortrag beruhen, sondern dieser sogar durch das eingeholte Privatgutachten selbst widerlegt worden ist, sind die entstandenen Kosten für die Einholung des Privatgutachtens nach Auffassung des Senats nicht erstattungsfähig (vgl. Beschluss vom 30.12.2014 (17 W 152/14).
Die Beklagte zu 2 kann die von ihr unnötigerweise aufgewendeten Kosten nicht vom Prozessgegner erstattet verlangen, auch wenn dieser aus anderen Gründen den Prozess verloren und die - notwendigen! - Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Zum gleichen Ergebnis - keine Erstattungsfähigkeit der Sachverständigenkosten - würde man auch gelangen, wenn die Beklagte die aufgewendeten Kosten als Schaden im Prozess geltend gemacht hätte. Eine auf diesen Schaden bezogene Pflichtverletzung des Klägers lag nicht vor. Soweit das LG eine Pflichtverletzung des Klägers festgestellt hat (bewusstes Beschleunigen trotz oder gar wegen des Spurwechsels des Beklagten zu 1), wäre der Schaden (Kosten dieses Sachverständigengutachtens) jedenfalls nicht kausal.
Aber auch bei der vom BGH (BGHZ 153, 235 ff. = juris Rz. 13; 192, 140 ff. = juris Rz. 12 f.; NJW 2013, 1823 f. = juris Rz. 8) als maßgeblich angesehenen ex-ante-Sicht durfte die Beklagte zu 2 die Einholung dieses Gutachtens nicht als sachdienlich ansehen. Denn zur zweckentsprechenden Prozessführung ist die Einholung eines vorprozessualen Privatgutachtens nur notwendig, wenn sich die Partei aufgrund fehlender Sachkenntnisse oder wegen eines besonderen Schwierigkeitsgrades zu sachgerechtem Vortrag nicht in der Lage sieht und daher befürchten muss, ihrer Darlegungs- und Substantiierungslast nicht genügen, einen gebotenen Beweis nicht antreten oder Angriffe des Gegners nicht abwehren zu können (Schulz, a.a.O., Rz. 160 m.w.N., u.a. BGZ 153, 235 ff. = juris Rz. 13). Insbesondere in den Fällen, in denen eine Versicherung einen - versuchten - Betrug ihres Versicherungsn...