Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage des völligen Ausschlusses des Umgangsrechtes des nicht sorgeberechtigten Elternteils. Umgangsrecht: hier: Ausschluss des Umgangsrechts des nicht sorgeberechtigten Elternteils
Leitsatz (amtlich)
Gemäß § 1684 Abs. 4 S. 2 BGB kann eine Entscheidung, die das Umgangsrecht eines Elternteils für längere Zeit oder auf Dauer einschränkt oder ausschließt nur ausnahmsweise ergehen, wenn nämlich anderenfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. Er darf nur angeordnet werden, um eine konkrete, gegenwärtig bestehende Gefährdung der körperlichen oder geistig-seelischen Entwicklung des Kindes abzuwenden (u.a. OLG Köln v. 28.11.1996 - 16 Wx 209/96, OLGReport Köln 1997, 194 = FamRZ 1997, 1097; OLG Schleswig v. 10.6.1999 - 15 UF 209/98, FamRZ 2000, 48 f.). Zudem ist Voraussetzung, dass keine anderen - milderen Mittel - zum Schutze des Kindes verfügbar sind, der konkreten Gefährdung also nicht durch eine bloße vorübergehende Einschränkung des Umgangsrechtes oder dessen sachgerechter Ausgestaltung begegnet werden kann (u.a. BGH FamRZ 1994, 158 [160]; OLG Köln v. 28.11.1996 - 16 Wx 209/96, OLGReport Köln 1997, 194 = FamRZ 1997, 1097; OLG Saarbrücken v. 4.9.2000 - 9 UF 88/00, FamRZ 2001, 369; Palandt/Diederichsen, BGB, 24. Aufl., § 2005, § 1684 Rz. 31).
Bei der Prüfung, ob eine Gefährdung des Kindeswohles in diesem Sinne gegeben ist, hat auch der Wille des Kindes Berücksichtigung zu finden. Das Persönlichkeitsrecht des Kindes erfordert es, dass sein Wille im Rahmen seines wohlverstandenen Interesses zur Geltung kommt. Bei der Berücksichtigung des Kindeswillens gilt es, die Individualität des Kindes und die Beachtlichkeit seines Willens auch im Hinblick auf sein Alter sowie die aus dem Elternrecht fließenden Belange des Kontaktsuchenden Elternteils gegeneinander abzuwägen (OLG Schleswig v. 10.6.1999 - 15 UF 209/98 mit Bezug auf BGH FamRZ 1980, 131 [133]). Dabei ist zu berücksichtigen, dass grundsätzlich der den Kontakt suchende Elternteil die Möglichkeit einer "Familienzusammenführung" erreichen können muss (BVerfG v. 28.12.2004 - 1 BvR 2790/04, FamRZ 2005, 173 [175] unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGHMR). Ein Ausschluss des Umgangsrechts ist daher auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es grundsätzlich dem Kindeswohl entspricht, die familiären Beziehungen aufrechtzuerhalten, da der Abbruch solcher Beziehungen die Trennung des Kindes von seinen Wurzeln bedeutet, nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen gerechtfertigt (BVerfG v. 28.12.2004 - 1 BvR 2790/04, FamRZ 2005, 173 [175]).
Beachtenswerte Gründe für einen ablehnenden Kindeswillen dahin, mit seinem Vater Kontakt aufzunehmen, können dann vorliegen, wenn der Kindesvater ggü. der Kindesmutter in erheblichem Maße gewalttätig geworden ist und aus seinem gegenwärtigen Verhalten ggü. der Kindesmutter das Kind befürchten muss, dass sich solche Gewalttätigkeiten wiederholen und ggf. auch ihm Gegenüber angewandt werden.
Eine erhebliche Kindesgefährdung kann dann gegeben sein, wenn sich herausstellt, das der um Umgang mit seinem Kind nachzusuchende Kindesvater unter einer erheblichen Persönlichkeitsstörung leidet, die seine Gewalttätigkeit auch für die Zukunft befürchten lässt und sich der Kindesvater trotz eingehender Belehrung nicht behandlungswillig zeigt.
Normenkette
BGB § 1684 Abs. 4 S. 2
Verfahrensgang
AG Bonn (Beschluss vom 30.04.2004; Aktenzeichen 40 F 247/03) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - FamG - Bonn - vom 30.4.2004 - 40 F 247/03 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Ausübung seines Umgangsrechts mit seinem Sohn E zunächst bis zum 31.12.2006 ausgesetzt wird.
Die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin gegen die Kostenentscheidung der ersten Instanz wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsteller zu 4/5 und die Antragsgegnerin zu 1/5.
Gründe
Die gem. § 621e Abs. 1 i.V.m. § 621 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insb. fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Ebenfalls unbegründet ist die in zulässiger Weise eingelegte Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin.
I. Im Ergebnis zu Recht hat das FamG derzeit ein Umgangsrecht des Antragstellers ausgeschlossen. Allerdings war der Ausschluss bis zum 31.12.2006 zu begrenzen. Es muss abgewartet werden, ob sich auch durch ein geändertes Verhalten des Antragstellers die derzeitige Situation dahin verändert, dass E angstfrei und gefahrlos seinem Vater begegnen kann.
Mit Recht hat das AG entschieden, dass derzeit ein Umgangsrecht wegen der ablehnenden Haltung von E., der sich jeglichem Kontakt mit dem Antragsteller widersetzt, nicht durchführbar ist. Der Senat nimmt insoweit zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die Ausführungen des FamG in der angegriffenen Entscheidung. Die Ausführungen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren sind nicht geeignet, die zutreffenden Erwägungen des FamG, dass Umgangskontakte zwischen dem Antragsteller und E je...