Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage der Verwirkung des Versorgungsausgleichs
Leitsatz (amtlich)
Haben die Parteien in einem in der Türkei durchgeführten Scheidungsverfahren keine Regelung zum Versorgungsausgleich getroffen und in einer Vereinbarung über die finanziellen Fragen der Scheidung ausdrücklich geregelt, dass eine Zahlung nur den Unterhalt sowie eine weitere Entschädigung und die Verfahrenskosten und das Anwaltshonorar betreffen sollten, ist es nicht rechtsmissbräuchlich, nachträglich die Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleiches zu verlangen, wenn sich aus dem Vortrag beider Parteien ergibt, dass über die Durchführung des Versorgungsausgleiches schon deswegen keine Regelung getroffen wurde, weil die Parteien nicht wussten, dass solche Ansprüche der Ausgleichsberechtigten überhaupt zustanden. Unter Abwägung der beiderseitigen Interessen braucht sich die Ausgleichsberechtigte in einem solchen Fall nicht auf die im türkischen Scheidungsverfahren getroffene Regelung verweisen zu lassen, nachdem sie nach Durchführung des Scheidungsverfahrens erfahren hat, dass sie Versorgungsausgleichsansprüche geltend machen kann. Es ist nämlich nicht von der Hand zu weisen, dass, hätten die Parteien auch die Versorgungsausgleichsansprüche bedacht, zu anderen (höheren) Abfindungsbeträgen gekommen wären.
Normenkette
BGB § 242
Verfahrensgang
AG Bonn (Beschluss vom 10.01.2005; Aktenzeichen 46 F 373/03) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - FamG - Bonn vom 10.1.2005 - 46 F 373/03 - abgeändert.
Vom Versicherungskonto Nr. ..1 des Antragsgegners bei der LVA Rheinprovinz werden auf das Versicherungskonto Nr. ..2 der Antragstellerin bei der LVA Rheinprovinz Rentenanwartschaften von monatlich 181,04 EUR, bezogen auf den 31.12.2001, übertragen.
Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.
II. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den vorgenannten Beschluss des AG - FamG - Bonn wird zurückgewiesen.
III. Eine Kostenerstattung im Beschwerdeverfahren findet nicht statt.
Für die erste Instanz verbleibt es bei der amtsgerichtlichen Kostenentscheidung.
IV. Der Antrag des Antragsgegners, ihm zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
V. Der Antragstellerin wird ab Antragstellung zur Durchführung des eigenen Beschwerdeverfahrens und zur Abwehr gegen die Beschwerde des Antragsgegners ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtanwältin T. in N. bewilligt.
Gründe
Die befristeten Beschwerden der Antragstellerin und des Antragsgegners sind zulässig (§ 621e ZPO). Begründet ist allerdings nur die befristete Beschwerde der Antragstellerin.
I. Mit ihrer Beschwerde rügt die Antragstellerin zu Recht, dass die ihr übertragenen Versorgungsanwartschaften nicht korrekt berechnet worden sind. Fälschlicherweise ist das FamG in der angegriffenen Entscheidung zunächst von DM-Beträgen ausgegangen und hat am Ende den Ausgleichsbetrag von Deutschen Mark in EUR umgerechnet. Tatsächlich lagen den Auskünften der LVA Rheinprovinz vom 8.4.2004 bzw. 27.7.2004 - selbstverständlich - EUR-Beträge zugrunde, so dass eine Umrechnung nicht mehr zu erfolgen hatte, wie sich auch aus dem Berichtigungsantrag der LVA Rheinprovinz vom 14.2.2005 (Bl. 66 GA) ergibt. Nach richtiger Berechnung ist damit ein Betrag i.H.v. 181,04 EUR zu übertragen.
Durch den Beschluss ist der Berichtigungsantrag der LVA Rheinprovinz gegenstandslos geworden.
II. Die Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet. Zu Recht hat das FamG den Versorgungsausgleich nach deutschem Recht gem. Art. 17 Abs. 3 EGBGB durchgeführt. Zur näheren Begründung verweist der Senat zunächst auf den Inhalt des angegriffenen Beschlusses.
Die nachträgliche Durchführung des öffentlich rechtlichen Versorgungsausgleiches ist auch nicht rechtsmissbräuchlich nach § 242 BGB. Die Parteien haben in dem in der Türkei durchgeführten Scheidungsverfahren gerade keine Regelung zum Versorgungsausgleich getroffen. Die Vereinbarung über finanzielle Fragen betraf laut Scheidungsurteil ausdrücklich nur die Zahlung eines Unterhalts, die einer Entschädigung sowie die Verfahrenskosten und das Anwaltshonorar (vgl. Anlage 1 zur Antragserwiderung, Bl. 17, 18 GA).
Die Antragstellerin handelt nicht treuwidrig, wenn sie nunmehr in Deutschland nachträglich das Versorgungsausgleichsverfahren betreibt. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien eine abschließende Auseinandersetzung über alle finanziellen Aspekte ihrer Scheidung im Rahmen des Scheidungsverfahrens getroffen haben. Hiergegen spricht bereits der Vortrag des Antragsgegners. Über die Durchführung des Versorgungsausgleiches konnte schon deswegen keine Regelung getroffen werden, weil - wie der Antragsgegner vorträgt - die Parteien überhaupt nicht wussten, dass möglicherweise solche Ansprüche der Antragstellerin bestanden. Es mag die Vorstellung des Antragsgegners gewesen sein, dass mit der getroff...