Verfahrensgang
AG Siegburg (Entscheidung vom 21.01.2003; Aktenzeichen 28 Ds 224/01) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Siegburg zurückverwiesen.
Gründe
I.
Durch Urteil vom 21.01.2003 hat das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Siegburg den Angeklagten unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Siegburg vom 09.11.2002 - 28 Ds 224/01 - wegen gemeinschaftlichen Diebstahls zu einer Einheitsjugendstrafe von 9 Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Sprungrevision des Angeklagten, die er mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet hat und mit der er eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung anstrebt.
II.
Die gemäß §§ 335 Abs. 1, 312 StPO, 2 JGG statthafte Revision führt bereits aufgrund der Verfahrensrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - ( §§ 353, 354 Abs. 2 StPO).
Der Angeklagte macht mit seiner Verfahrensrüge zu Recht den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO i.V.m. § 140 Abs. 2 StPO geltend. Denn die Hauptverhandlung gegen ihn hat ohne den Beistand eines notwendigen Verteidigers und somit in Abwesenheit einer Person stattgefunden, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt.
Die Rüge ist in der Revisionsschrift vom 19. Februar 2003 in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Form begründet worden. Dazu genügt nämlich in einem Fall der vorliegenden Art, dass - neben der Abwesenheit eines Verteidigers während der gesamten Dauer der Hauptverhandlung - die Umstände mitgeteilt werden, aus denen sich die Notwendigkeit einer Pflichtverteidigerbestellung ergab (vgl. SenE v. 17.05.2002 - Ss 223/02 -; SenE v. 15.11.1988 - Ss 628/88 -; vgl. a. SenE v. 18.03.1997 - Ss 118/97 -; OLG Hamm NStZ-RR 2001, 373). Hier ermöglicht das Vorbringen der Revisionsbegründung in Verbindung mit den Urteilsgründen eine abschließende Beurteilung der Frage, ob die Mitwirkung eines Verteidigers in der Hauptverhandlung geboten war.
Das war hier gemäß §§ 68 Nr. 1 JGG, 140 Abs. 2 StPO wegen der Schwere der Tat der Fall. Zwar handelt es sich bei der Bestimmung des § 140 Abs. 2 StPO um eine Generalklausel mit unbestimmten Rechtsbegriffen, deren Anwendung nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt (SenE v. 01.04.1986 - Ss 168/86 = StV 19869 238; SenE v. 28.08.1998 - Ss 408/98 -; SenE v. 16.11.2001 - Ss 376/01 -; SenE v. 17.05.2002 - Ss 223/02 -;). Bei der wertenden Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe ist die revisionsrechtliche Nachprüfung auf die Frage beschränkt, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff verkannt, ob er den richtigen Wertmaßstab angelegt hat (vgl. BayObLG NJW 1978, 1337; SenE v. 17.12.1985 - 1 Ss 628/85 - = NJW 1986, 2896 [2897]; SenE v. 02.12.1997 - Ss 693/97 -; SenE v. 28.08.1998 - Ss 408/98 - m. w. Nachw.). Ist dem Tatrichter hierbei kein Rechtsfehler unterlaufen, hat das Revisionsgericht seine Würdigung auch dann hinzunehmen, wenn eine zum umgekehrten Ergebnis führende Gesetzesanwendung ebenfalls rechtlich möglich wäre (SenE v. 18.08.1987 - Ss 71/87 -; SenE v. 28.08.1998 - Ss 408/98 - m. w. Nachw.).
Im vorliegenden Fall ist der Verzicht des Amtsgerichts auf die Mitwirkung eines Verteidigers mit den Grundsätzen, die in der Rechtsprechung zu den maßgeblichen Kriterien des § 140 Abs. 2 StPO entwickelt worden sind, jedoch nicht zu vereinbaren und daher rechtsfehlerhaft.
Für die Gewichtung des Tatvorwurfs ist maßgeblich auf die zu erwartende Rechtsfolgenentscheidung abzustellen (BGHSt 6, 199 = NJW 1954, 1415; SenE v. 14.11.2000 - Ss 426/00 -; SenE v. 10.07.2001 - Ss 252/01 -; SenE v. 16.11.2001 - Ss 376/01 -; OLG Hamm VRS 100, 38 [39] = NStZ-RR 2001, 107 [108] u. VRS 100, 307; OLG Stuttgart StraFo 2001, 205), wobei es bei der Aburteilung mehrerer Taten auf den Umfang der Rechtsfolgen insgesamt, also auf eine etwa zu bildende Gesamtstrafe und nicht auf die Höhe der Einzelstrafen ankommt (BayObLG NStZ 1990, 142; OLG Stuttgart NStZ 1981, 490; KG StV 1985, 448; OLG Hamm NStZ 1982, 298; OLG Hamm VRS 100, 38 [39] = NStZ-RR 2001, 107 [108]; OLG Stuttgart StraFo 2001, 205; LG Gera VRS 97, 425 [426]; SenE v. 08.05.1992 - Ss 155/92 -; SenE v. 24.09.1996 - Ss 468/96 -; SenE v. 03.09.1999 - Ss 409/99 -; SenE v. 10.07.2001 - Ss 252/01 -; SenE v. 16.11.2001 - Ss 376/01 -). Das gilt auch bei Anwendung des Jugendstrafrechts, wenn Jugendstrafe zu erwarten ist und eine Einheitsjugendstrafe gebildet werden muss (SenE v. 21. 11. 1989 - Ss 572/89 - = StV 1991, 151; OLG Hamm StV 1982, 475 u. StV 1993, 180; KG StV 1998, 325 m. w. Nachw.). Regelmäßig erfordert die Schwere des Tatvorwurfs die Mitwirkung eines Verteidigers, wenn eine Straferwartung von einem Jahr Freiheitsstrafe bzw. Jugendstrafe ohne Aussetzung zur Bewährung besteht (vgl. bezgl. der Jugendstrafe: SenE...