Leitsatz (amtlich)

1. In Nachlassverfahren, die dem Verfahrensrecht des FamFG unterliegen, ist eine Beschwerde unzulässig, die sich gegen eine im Wege eines Vorbescheides ergangene Ankündigung des Nachlassgerichtes richtet.

2. Die (ablehnende) Entscheidung über den Antrag eines Beteiligten, eine letztwillige Verfügung nicht vollständig zu eröffnen, stellt eine Endentscheidung im Sinne des § 38 Abs. 1 FamFG dar. Eine solche Entscheidung unterliegt einer Überprüfung im Wege der Beschwerde nach §§ 58ff. FamFG.

Zur Vermeidung nicht rückgängig zu machender Nachteile kann die Entscheidung des Nachlassgerichts über die Zurückweisung des Antrags auf Teileröffnung in entsprechender Anwendung von § 352 Abs. 2 Satz 2 FamFG verbunden werden mit der Aussetzung der Wirksamkeit des Beschlusses sowie der Zurückstellung der Eröffnung bis zur Rechtskraft des Beschlusses.

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Entscheidung vom 30.09.2010; Aktenzeichen 35 IV 600/10)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Verfügung des Amtsgerichts - Nachlassgerichts - Bonn vom 30. September 2010 - 35 IV 600/10 - wird als unzulässig verworfen.

Gerichtskosten des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht werden nicht erhoben.

Zur Klarstellung wird der "Vorbescheid2 des Amtsgerichts Bonn vom 30. September 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Antrag der Beteiligten auf Teileröffnung des Erbvertrages vom 29. Januar 1987 - UR-Nr. 89/1987 des Notars Dr. S. E. in C. - an das Amtsgericht - Nachlassgericht - Bonn zurückgegeben.

Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligte I. Q.i war verheiratet mit dem 24.7.2010 verstorbenen R. Q.. Sie hatte mit ihm am 29. Januar 1987 einen notariell beurkundeten Erbvertrag geschlossen. Hierin haben sich die Eheleute Q. gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Weiter heißt es in § 2 des Erbvertrages:

"Der Längstlebende von uns - und für den Fall, daß wir gemeinsam versterben, ein jeder von uns - beruft zu seinen Erben:

a) ….

b) …."

Der Vertrag enthält daneben in §§ 3 bis 7 noch Ersatzerbenbestimmungen und Vermächtnisanordnungen. In § 9 des Erbvertrages bestimmten die Eheleute Q., dass die gegenseitige Einsetzung zu Alleinerben vertraglich bindend sein solle. Im Übrigen könne jedoch der Längstlebende seine in dieser Urkunde getroffenen Verfügungen jederzeit ändern.

Die Beteiligte hat den Erbvertrag dem Nachlassgericht zur Eröffnung eingereicht und hierbei über ihren Verfahrensbevollmächtigten beantragt, die Verfügungen des Überlebenden, also die §§ 2 bis 7 des Erbvertrages, nicht zu eröffnen. Es bestehe eine Gefahr für die körperliche Unversehrtheit der Beteiligten. Das Nachlassgericht hat mit Schreiben vom 30. September 2010 mitgeteilt, es sei beabsichtigt, den Erbvertrag vollständig zu eröffnen. Die Verfügungen nach dem Längerlebenden der beiden Eheleute seien im Plural abgefasst und daher nicht nach beiden Testatoren trennbar. Weiter heißt es in dem Schreiben:

"Dieses Schreiben ist ein Vorbescheid und damit rechtsmittelfähig. Sollte binnen zwei Wochen ab Zugang dieses Schreibens keine Einwendung hier vorliegen, erfolgt die vollständige Bekanntgabe des Erbvertrages."

Die Beteiligte hat gegen den Bescheid mit Schreiben vom 8. Oktober 2010 Beschwerde eingelegt mit der Begründung, der Erbvertrag enthalte in seinen §§ 2 bis 7 keine Verfügungen des Erblassers R. Q., da er nicht Längstlebender geworden sei. Verfügungen in diesem Abschnitt habe jedoch nur der Längstlebende der Eheleute getroffen. Bei vollständiger Eröffnung bestehe die Gefahr der psychischen Beschädigung und der physischen Gewaltanwendung gegenüber der Beteiligten. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 12. Oktober 2010 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die von der Beteiligten gegen den "Vorbescheid" des Nachlassgerichts vom 30. September 2010 erhobene Beschwerde vom 8. Oktober 2010 ist unzulässig.

1.

Auf das vorliegende Verfahren finden die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) Anwendung (Art. 112 Abs. 1 FGG-RG), da der Erblasser nach dem in Art. 112 Abs. 1 FGG-RG bestimmten Stichtag, dem 30. September 2009, verstorben ist und daher das vorliegende Verfahren auf Eröffnung der letztwilligen Verfügung erst nach dem genannten Stichtag eingeleitet worden ist.

2.

Die von der Beteiligten erhobene Beschwerde ist unzulässig. Gegen die im Wege des "Vorbescheides" erfolgte Ankündigung einer vom Amtsgericht erst noch zu treffenden Entscheidung sieht das FamFG kein Rechtsmittel vor.

Mit der Anwendbarkeit des neuen Verfahrensrechts sind nach § 58 Abs. 1 1. Halbs. FamFG nur solche Entscheidungen des Gerichts erster Instanz selbstständig anfechtbar, die das erstinstanzliche Hauptsacheverfahren ganz oder teilweise erledigen (vgl. § 38 Abs. 1 S 1. FamFG). Das sind schriftliche Entscheidungen mit Außenwirkung, die ein auf Antrag (§ 23 FamFG) oder von Amts wegen (§ 24 FamFG) eing...

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