Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlust einer Niere durch gewaltsames Vorgehen bei Schwangerschaftsabbruch
Leitsatz (amtlich)
1. Spürt ein Arzt bei einem Schwangerschaftsabbruch in der 12. Schwangerschaftswoche einen derben Widerstand, muss er mit dem Durchstoßen der Gebärmutter rechnen und darf nicht unter Einsatz manueller Gewalt die Operation fortsetzen.
2. Der behandlungsfehlerhaft verursachte Verlust eines Harnleiters und einer Niere (neben weiteren Verletzungen) im Rahmen eines Schwangerschaftsabbruchs rechtfertigt ein Schmerzensgeld von mindestens 25.000.- EUR.
Normenkette
BGB §§ 253, 280, 611, 823
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 18.06.2014; Aktenzeichen 25 O 374/12) |
Tenor
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 18.6.2014 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des LG Köln - 25 O 374/12 - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beklagten erhalten Gelegenheit, zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Gründe
Die Berufung hat nach gründlicher Prüfung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO).
Dias LG hat der Klage zu Recht in dem zuerkannten Umfang stattgegeben. Die Klägerin kann von den Beklagten gemäß §§ 280 Abs. 1, 831 Abs. 1, 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB die Zahlung eines Schmerzensgeldes von 25.000 EUR verlangen. Der Feststellungsantrag ist begründet.
Das LG hat nach Einholung eines gynäkologischen Gutachtens von Prof. Dr. C in nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass der Beklagte zu 2) während des operativen Schwangerschaftsabbruchs am 6.7.2009 fehlerhaft vorgegangen ist, indem er eine gewisse, nach Lage der Dinge nicht angebrachte manuelle Kraft einsetzte, die nach bereits vorher erfolgter Uterusperforation den Abriss des mit den Resten des zweiten Embryos geborgenen Harnleiters verursachte. Der Abriss des rechten Harnleiters, der nicht rekonstruiert werden konnte, hat unstreitig am 19.10.2009 zur Entfernung der rechten Niere geführt.
Prof. Dr. C hat dargelegt, dass es sich bei der derben Resistenz und dem derben Widerstand, die im Operationsbericht im Zusammenhang mit der Suche nach dem zweiten Embryo und dem Austasten der Gebärmutter sowie dem Versuch einer Entfernung mittels verschiedener Küretten beschrieben sind, weder um die Gebärmutterwand noch um einen Föten in der 11. + 4 Schwangerschaftswoche habe handeln können. Wie auch Prof. Dr. C2 dargelegt habe, weise der schwangere Uterus eine weiche Gewebebeschaffenheit und deshalb ein erhöhtes Perforationsrisiko auf. Ein Fötus habe in der 12. Schwangerschaftswoche durchschnittlich eine Länge von 5,4 cm und ein Gewicht von 14 Gramm. Eine sich verhärtende Knochenstruktur liege noch nicht vor, weshalb zu diesem Schwangerschaftszeitpunkt auch noch eine Absaugung des Embryos in Betracht komme. Es müsse daher dem Operateur entgangen sein, dass er mit seinem Instrument die Gebärmutterwand durchstoßen habe.
Ruckelnde Bewegungen und die hierin liegende Anwendung einer gewissen manuellen Gewalt entsprächen in dem damals vorliegenden Schwangerschaftszeitpunkt nicht dem üblichen Vorgehen, um den Embryo zu entfernen, und seien behandlungsfehlerhaft. Ein Festsitzen des Embryos oder von Organteilen im Uteruskavum, das manuelle Gewalt erforderlich mache, sei zu diesem Schwangerschaftszeitpunkt auszuschließen. Ein Einklemmen des Köpfchens in der Gebärmutterhöhle oder das Festanhaften des Köpfchens seien nicht anzunehmen. Typischerweise entstünden Komplikationen bei der Abortkürettage und dem Schwangeschaftsabbruch vielmehr dadurch, dass der Embryo nicht im Ganzen gewonnen werden könne und einzelne Teile, beispielsweise das Köpfchen, der Kürette auswichen.
Diese Beurteilung überzeugt. Aus ihr folgt zunächst schlüssig, dass der Beklagte zu 2) aufgrund des Tastbefunds einer derben Resistenz und eines derben Widerstands, der durch die Verhältnisse in der Gebärmutter selbst nicht zu erklären war, mit einer Perforation rechnen musste. Schon aufgrund dieses Umstands war beim weiteren Vorgehen besondere Sorgfalt angebracht. Es ist auch ohne weiteres nachvollziehbar, dass der in der 12. Schwangerschaftswoche noch sehr kleine Embryo in der Gebärmutter nicht fest anhaften kann und daher der Einsatz von manueller Kraft oder Gewalt zu dessen Entfernung nicht notwendig ist, zumal Prof. Dr. C unter Hinweis auf medizinische Literatur auf die Möglichkeit einer bloßen Absaugung hingewiesen hat. Dass der Beklagte bei den mehrfach durchgeführten ruckelnden Bewegungen eine gewisse manuelle Gewalt eingesetzt hat, hat Prof. Dr. C dem Operationsbericht schlüssig entnommen. Hierfür spricht nicht nur der Wortlaut des Operationsberichts, der keineswegs leicht ruckelnde Bewegungen oder ähnliches anführt. Auch der Sinnzusammenhang streitet für den Einsatz einer gewissen K...