Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 42 O 77/20) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 16.07.2021 - 42 O 77/20 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt die Klägerin.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 933.044,51 EUR (= 731.799,61 EUR + 201.244,90 EUR) festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin - eine Bauträgerin - nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen Verletzung von Pflichten aus einem Steuerberatervertrag in Anspruch.
Nachdem der Bundesfinanzhof im Jahre 2013 die Rechtslage zu § 13b UStG dahin geändert hatte, dass Steuerschuldner für die Umsatzsteuer auf Bauleistungen nicht mehr die Bauträger, sondern die von diesen beauftragten Bauunternehmer sind, stellte die Beklagte im Jahre 2018 für die Klägerin beim zuständigen Finanzamt einen Antrag auf Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 2013 und forderte die seinerzeit von der Klägerin abgeführte Umsatzsteuer zuzüglich Erstattungszinsen zurück. Das Finanzamt lehnte dies unter Hinweis auf nicht vorgelegte Unterlagen ab. Hiergegen legte die Beklagte verspätet Einspruch ein, der vom Finanzamt verworfen wurde. Ein dagegen gerichteter Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand blieb erfolglos.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz in Höhe der nicht erfolgten Steuererstattung nebst Erstattungszinsen - jeweils zuzüglich Verzugszinsen - sowie Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Wegen des Sachverhalts, der dem Rechtsstreit zugrunde liegt sowie der in erster Instanz gestellten Anträge wird im Übrigen gemäß § 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass zwar ein Erstattungsanspruch der Klägerin gegenüber dem Finanzamt in der geltend gemachten Höhe bestanden hätte, der durch die Pflichtverletzung der Beklagten vereitelt worden sei; gleichwohl sei der Klägerin bei wertender Betrachtung kein Schaden entstanden, weil ihr die Erstattungsbeträge nicht dauerhaft hätten zustehen sollen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Gegen die Abweisung der Klage wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Insoweit macht sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags geltend:
Der im zivilrechtlichen Schadensrecht nicht existente Begriff des "Zufallsgewinns" sei vorliegend nicht einschlägig, weil es hier nicht um eine zufällige Beeinträchtigung des Äquivalenzverhältnisses gehe, sondern um eine willensgetragene Pflichtverletzung.
Im Streitfall komme es ausschließlich auf die Grundsätze der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und eingetretenem Schaden an. Insoweit sei die Differenzhypothese maßgeblich. Eine "wertende Betrachtung" ohne nähere inhaltliche Begründung sei rechtsfehlerhaft.
Der Bundesfinanzhof gehe von einem bedingungslosen Erstattungsanspruch des Bauträgers aus, für den es auf einen Zufallsgewinn nicht ankomme und der von diesem Begriff unabhängig sei.
Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts führe dazu, dass dem Staat ein Zufallsgewinn entstehe, denn dieser könne die erhobene Steuer behalten, obwohl er hierauf gar keinen Anspruch habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs könne nämlich der Bauträger die Rechtswidrigkeit der Besteuerung geltend machen.
Zur Frage der Festsetzungsverjährung hat die Klägerin zunächst in der Berufungsbegründung ausgeführt, es sei bereits fraglich, ob vorliegend gegenüber den Baufirmen tatsächlich bereits eine Festsetzungsverjährung eingetreten sei; jedenfalls sei die Festsetzungsverjährung für das hier zu beurteilende zivilrechtliche Vertragsverhältnis nicht von Interesse. In einem späteren Schriftsatz hat sie vorgetragen, vorliegend sei eine Festsetzungsverjährung gegenüber dem Bauunternehmer evident eingetreten und von Amts wegen zu berücksichtigen.
Im Streitfall bedürfe die Differenzhypothese keiner Korrektur durch normative und wirtschaftliche Wertungen. Zum einen sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein entgangener Steuervorteil grundsätzlich dann als Schaden im Rechtssinne anerkannt, wenn er rechtmäßig und nicht unter Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten hätte erlangt werden können, und der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der rechtswidrig gezahlten Umsatzsteuer sei auch nach Ansicht des Landgerichts vorliegend gegeben. Zum anderen sei eine abweichende Wertung nicht im Hinblick auf die Pflichtverletzung der Beklagten veranlasst; es sei vielmehr unbillig, die Beklagte aus der Haf...