Leitsatz (amtlich)
Keine Mutwilligkeit der Rechtsverteidigung des Beklagten mangels Stellungnahme im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren des Klägers.
Normenkette
ZPO § 114
Verfahrensgang
LG Aachen (Beschluss vom 13.07.2010; Aktenzeichen 11 O 74/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 27.07.2010 wird der Beschluss der 11. Zivilkammer des LG Aachen vom 13.07.2010 - 11 O 74/10 - in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses des Einzelrichters vom 05.08.2010 abgeändert.
Dem Beklagten wird zur Verteidigung gegen die Klage ratenfreie Prozesskostenhilfe für die 1. Instanz unter Beiordnung von Rechtsanwalt G. C. in B. bewilligt.
Gründe
Die gem. §§ 127, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten hat in der Sache Erfolg.
Entgegen der Auffassung des LG ist die Rechtsverteidigung des Beklagten nicht als mutwillig anzusehen, weil er sich im Prozesskostenhilfeverfahren der Gegenseite nicht zur Klage geäußert hat. Allerdings ist eine Rechtsverfolgung dann mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde. Eine Partei, welche Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen will, ist grundsätzlich gehalten, von mehreren gleichwertigen Wegen denjenigen zu beschreiten, welcher die geringsten Kosten verursacht (OLG Köln OLGReport Köln 2009, 452; OLG BrandenburgOLGReport Brandenburg 2008, 38, jeweils m.w.N.). Dies kann allerdings nur für die eigenen Kosten des Prozesskostenhilfe begehrenden Beklagten gelten; denn § 118 Abs. 1 S. 1 ZPO enthält keine Verpflichtung des Gegners zur Stellungnahme im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren. Ihm obliegen keine Pflichten ggü. dem Prozesskostenhilfe begehrenden Kläger oder der Staatskasse, diese vor Kosten zu bewahren. Dass er Teil der Allgemeinheit ist, die in Prozesskostenhilfe geführte Prozesse letztlich aus Steuermitteln finanzieren muss, reicht nicht aus, eine rechtliche Pflicht zur Äußerung zu begründen (so überzeugend Fischer, MDR 2006, 661 f. - a.M. wohl OLG Köln und OLG Brandenburg, a.a.O.).
Es kommt daher darauf an, ob die Kosten des Beklagten geringer wären, wenn er sich schon im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren des Klägers zur Klage geäußert hätte. Dies kann nicht festgestellt werden. Da Kosten in diesem Verfahren nicht erstattet werden (§ 118 Abs. 1 S. 4 ZPO), hätte der Beklagte - worauf er in seiner Beschwerde zu Recht hinweist - die Gebühren seines Prozessbevollmächtigten selbst begleichen müssen. Bei einem Vortrag erst im Klageverfahren erhält er dagegen - sein Obsiegen unterstellt - einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch gegen den Kläger. Er hat daher ein anerkennenswertes Interesse, sich im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren noch nicht zu äußern. Anderes würde nur gelten, wenn für ihn naheliegend gewesen wäre, dass in absehbarer Zeit ein Kostenerstattungsanspruch nicht realisiert werden könnte; denn dann müsste er sich vorwerfen lassen, unnötig hohe Kosten verursacht zu haben (Fischer, a.a.O., S. 663; Zöller - Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 114 Rz. 34a). Dafür sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich.
Zudem ist der Vorwurf der Mutwilligkeit ohnehin nicht gerechtfertigt, wenn im Prozess eine Beweisaufnahme erforderlich würde; denn hätte dem Kläger bei rechtzeitiger Äußerung des Beklagten gleichwohl Prozesskostenhilfe bewilligt werden müssen, kann die Zurückhaltung des Vortrags nicht ursächlich für die Bewilligung und damit für die Durchführung des Klageverfahrens geworden sein. Relevant wäre also nur ein Einwand, der den Klageanspruch schon im Prozesskostenhilfeverfahren zu Fall gebracht hätte (Fischer, a.a.O., S. 661).
Vorliegend hat der Beklagte seine Täterschaft bestritten. Der Kläger hat jedoch hierzu Beweis angetreten durch Zeugnis des Herrn P. Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren hat er angegeben, den Beklagten zweifelsfrei wiedererkannt zu haben. Der Zeuge P. sei der Auftraggeber des Beklagten und habe ihm die Tür geöffnet. Dessen polizeiliche Aussage, ihn nicht zu kennen, sei falsch (Bl. 13, 23d. BA 604 Js 688/09 StA Aachen). Der Rechtsstreit wird daher nicht ohne Beweisaufnahme entschieden werden können.
Da der Einwand des Beklagten erheblich ist, bietet die beabsichtigte Rechtsverteidigung auch hinreichende Erfolgsaussicht i.S.v. § 114 ZPO.
Der Beklagte ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen auch außerstande, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Ihm war daher unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses antragsgemäß Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Fundstellen
Haufe-Index 2422964 |
MDR 2011, 259 |
AGS 2010, 611 |
FamRB 2011, 49 |